Energietechnologien der Zukunft. Die Problematik der Rohstoffverfügbarkeit am Beispiel von Lithium

Schwerpunkt: Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Energieversorgung – Beiträge von TA und Energiesystemanalyse

Energietechnologien der Zukunft

Die Problematik der Rohstoffverfügbarkeit am Beispiel von Lithium

von Saskia Ziemann, Marcel Weil und Liselotte Schebek, ITAS

Schlüsseltechnologien spielen eine entscheidende Rolle für die Zukunft der weltweiten Energieversorgung, doch ist ihr erfolgreicher Einsatz an die Verwendung nicht erneuerbarer Rohstoffe, insbesondere verschiedener Metalle gebunden. Viele dieser Metalle könnten jedoch in Zukunft nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, was wiederum negative Folgen für die betroffenen Technologien nach sich ziehen würde. Um dies zu verhindern, müssen die derzeitigen Bedingungen für Angebot und Nachfrage bestimmter Metalle sowie deren potenzielle Entwicklung genauer untersucht werden. Welchen Beitrag die Erstellung eines Stoffstrommodells dabei leisten kann, wird hier am Beispiel von Lithium gezeigt.

1     Energietechnologien und Rohstoffe

Die Gesellschaft steht bei der zukünftigen Energieversorgung aufgrund des Klimawandels vor einer großen Herausforderung. Von den Energietechnologien der Zukunft wird nicht nur für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen, sondern auch für die Sicherung der weltweiten Energieversorgung und den Übergang zu einer nachhaltigen Energiewirtschaft ein entscheidender Beitrag erwartet. Dazu sind unterschiedliche Technologien vorhanden, z. B. in den Bereichen erneuerbare Energien, Energiespeicher, Energiewandler, fossil basierte Energieerzeugung, Energieeffizienz, Netzinfrastrukturen, Kohlendioxid-Reduktion, Kraftstoffe, Antriebssysteme im Verkehr, nukleare Energieerzeugung.[1] Doch die Entwicklung neuer Technologien sowie die Weiterentwicklung bestehender Technologien und deren erfolgreicher Einsatz sind gerade im Energiebereich mit einer hohen Abhängigkeit von bestimmten Rohstoffen verbunden. Dies sind neben den viel beachteten fossilen Energieträgern v. a.die metallischen Rohstoffe, welche zunehmend in den Blickpunkt des Interesses rücken.[2] Metalle sind für viele technische Anwendungen derzeit unverzichtbar, weil bestimmte Funktionalitäten der Produkte nur durch ihren Einsatz erreicht werden können. Dadurch sind Befürchtungen entstanden, dass eine Einschränkung der Verfügbarkeit dieser Rohstoffe zu einem entscheidenden Hemmnis für die Entwicklung und Verbreitung vieler Technologien werden kann (Anderson 2001). Solche Rohstoffe mit ihrer enormen Bedeutung für wichtige Technologien und einem durch verschiedene Faktoren bedingten potenziell hohem Versorgungsrisiko werden auch als kritisch oder strategisch[3] bezeichnet (Ziemann et al. 2010a). Viele Energietechnologien der Zukunft sind in ihrer Funktionalität auf solche strategischen Metalle angewiesen, Beispiele hierfür zeigt Tabelle 1.

Tab. 1:   Verschiedene Energietechnologien der Zukunft und „ihre“ strategischen Metalle

Verschiedene Energietechnologien der Zukunft und „ihre“ strategischen Metalle

Sb = Antimon; Cr = Chrom; Ga = Gallium; Ge = Germanium; In = Indium; Co = Cobalt; Li = Lithium; Mn = Mangan; PGM = Platingruppenmetalle (Platin, Palladium, Iridium, Osmium, Ruthenium); REE = Seltene Erden Elemente (Rare Earth Elements); Ag = Silber; Ta = Tantal; Te = Tellur; V = Vanadium; Sn = Zinn; CCS = Carbon Capture and Storage

Quelle:   Eigene Darstellung

Die ausreichende Verfügbarkeit metallischer Rohstoffe wird folglich entscheidenden Einfluss auf die Fortentwicklung und Nutzung der Energietechnologien haben. Aus diesem Grund stellt die Sicherung der Rohstoffversorgung in Verbindung mit dem sparsamen Umgang von Ressourcen sowohl unter Nachhaltigkeits- als auch unter Wirtschaftlichkeitsaspekten eine große Herausforderung für Politik, Wirtschaft und Wissenschaft dar und erfuhr in der jüngeren Vergangenheit mehr und mehr Aufmerksamkeit (RWI 2007; BDI 2007; Handke 2008; Angerer et al. 2009; Teipel 2010).

Auch in diesem Beitrag wird die Problematik der Rohstoffverfügbarkeit strategischer Metalle thematisiert, allerdings stehen hier Energietechnologien wie elektrochemische Energiespeicher im Fokus. Als Beispiel dient Lithium, dessen ausreichende Verfügbarkeit aufgrund der weltweiten Entwicklungen im Bereich Elektromobilität und dem dadurch verstärkten Einsatz von Lithium-Ionen-Batterien kontrovers diskutiert wurde (Tahil 2008; Evans 2008). Die zukünftige Lithiumverfügbarkeit wird von unterschiedlichen Einflussgrößen bestimmt, dabei können bedeutende Einflussfaktoren für die Entwicklung von Angebot und Nachfrage sowie wichtige Bereiche zur Ressourceneinsparung mithilfe eines Stoffstrommodells identifiziert werden.

2     Verfügbarkeit der Metalle

In den letzten Jahren hat es eine ganze Reihe von Verteuerungen und Verknappungen auf den Weltmärkten für mineralische Rohstoffe gegeben, was neben der zunehmenden Metallnachfrage v. a. auf ein verhältnismäßig knappes Angebot zurückzuführen ist. Die Ursache dafür liegt aber primär nicht in der beginnenden Erschöpfung der geologischen Rohstoffvorkommen, sondern vielmehr an den ungleichen Produktions- und Nachfragebedingungen für viele, insbesondere strategische Metalle. Ihre Verfügbarkeit hängt demnach weniger von den bekannten Reserven und Ressourcen in den jeweiligen geologischen Lagerstätten ab als vom Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage. Wenn die Nachfrage eines Metalls größer ist als dessen Angebot, steigt der Rohstoffpreis. Diese Unausgewogenheit – oft auch als relative Knappheit bezeichnet – kann verschiedene Ursachen haben:

Für alle strategischen Metalle aus Tabelle 1 treffen mindestens zwei dieser Faktoren zu und verstärken damit nicht nur das Risiko für die Einschränkung der Rohstoffverfügbarkeit, sondern bergen auch eine Gefahr für die zukünftige Entwicklung der jeweiligen Energietechnologien.

Die zukünftige Verfügbarkeit eines metallischen Rohstoffs ist abhängig sowohl vom primären und sekundären Angebot des Metalls aus Lagerstätten und vom Recycling als auch von der Entwicklung der Nachfrage auf den Märkten für die wichtigen Anwendungen und Produkte. Um all diese Vorgänge besser zu verstehen, ist es unerlässlich, sich einen genaueren Einblick in die bedeutenden Einflussgrößen für die Nachfrage und die wesentlichen Bedingungen des zukünftigen Angebots zu verschaffen. Um ein solch komplexes System zu untersuchen, kann die Stoffstromanalyse einen wichtigen Anfangspunkt bilden. Ein Stoffstrommodell für ein bestimmtes Metall ermöglicht die Darstellung der Materialflüsse durch die einzelnen Prozesse sowie in die Umwelt und erlaubt damit, die Bewegung des Stoffes in diesem System nachzuvollziehen.

3     Grundlagen der Stoffstromanalyse

Die Stoffstromanalyse (material flow analysis – MFA) ist eine naturwissenschaftliche Methode zur systematischen Untersuchung und Bewertung von Stoffströmen und möglichen Lagerbildungen innerhalb eines zeitlich und räumlich definierten Systems (Baccini, Bader 1996; Brunner, Rechberger 2004).

Stoffströme fließen physisch von der Ressourcenentnahme über die Grundstoff- und Weiterverarbeitung bis hin zu Gütern und Anwendungen, die benutzt und dann ggf. wiederverwertet oder verwertet und schließlich zur Entsorgung abgeben werden. Folglich werden in der Stoffstromanalyse die Herkunft, die Entstehung, die Umwandlungsprozesse und die Entsorgungswege eines Stoffes erfasst, was wiederum die Verknüpfung der jeweiligen Quellen, Pfade sowie zwischengelagerten und endgültigen Senken von Stoffströmen ermöglicht (Brunner, Rechberger 2004).

Eine Stoffstromanalyse läuft in vier wesentlichen Schritten ab (Baccini, Bader 1996; Brunner, Rechberger 2004; Baccini, Brunner 1991):

  1. Definition des Systems,
  2. Erfassung der Materialflüsse,
  3. Berechnung der Materialflüsse,
  4. Schematische Darstellung und Interpretation der Ergebnisse.

Das Ziel einer Stoffstromanalyse ist, die Bewegung eines Stoffes durch ein definiertes System quantitativ und qualitativ zu beschreiben, um zu erkennen, welche anthropogenen Stoffströme und Umweltbelastungen als Folge bestimmter menschlicher Aktivitäten wie beispielsweise die Nachfrage nach bestimmten Gütern ausgelöst werden. In diesem Zusammenhang erlaubt sie sogar, entstehende Abfälle und Emissionen zu ihren jeweiligen Quellen zurückzuverfolgen und dissipative Verluste der betrachteten Stoffe zu ermitteln. Sie kann folglich als Methode zur Früherkennung von Ressourcenbedürfnissen und Umweltbelastungen in anthropogenen Systemen eingesetzt werden und erlaubt mittels Szenarien detaillierte Ausführungen zu deren künftigen Entwicklungsmöglichkeiten (Baccini, Bader 1996). Aufgrund dieser Eigenschaften ist die Stoffstromanalyse ein wichtiges Instrument zur Entscheidungsunterstützung im Ressourcen-, Abfall- und Umweltmanagement (Brunner, Rechberger 2004) und stellt damit auch ein nützliches Werkzeug der Politikberatung dar.

4     Entwicklung des Stoffstrommodells für Lithium

Das entwickelte Stoffstrommodell soll sowohl die Verbindung zwischen Angebot und Nachfrage von Lithium als auch dessen Materialflüsse in die Umwelt aufzeigen.

4.1   Definition des Systems

Die Stoffstromanalyse für Lithium wurde für das Jahr 2007 im anthropogenen System des globalen Lithiumkreislaufs durchgeführt. Um die wichtigen Prozesse, Güter, Stoffe und Lager zu identifizieren, wurden die vier Lebensabschnitte Gewinnung/Produktion, Herstellung von Produkten, Nutzung und Entsorgung betrachtet.

4.2   Bestimmung der Materialflüsse
4.2.1   Produktion/Gewinnung

Die Hauptquelle für die Lithiumgewinnung sind heutzutage die Salzseen (engl. „brines“). Die lithiumhaltige Sole wird aus dem Salzsee herausgepumpt und in mehreren Verdunstungsbecken mithilfe der einfallenden Sonnenstrahlung zu konzentrierter lithiumhaltiger Lauge eingedampft, bevor die weitere Aufbereitung in Fabriken stattfindet. Dort entsteht nach Zusatz von Soda Lithiumcarbonatpulver (Seidel et al. 2005). Neben den Salzseen gibt es die Pegmatite, welche die wichtigsten Lithiummineralien Spodumen, Lepidolith und Petalit enthalten. Die Lithiumgewinnung aus Pegmatiten beinhaltet Konzentratbildung durch Schaumaufbereitung, hydrometallurgische Extraktion (saurer oder alkalischer Prozess) und schließlich Abscheidung mittels Soda aus der wässrigen Lösung (Averill, Olson 1978). Bei diesen Prozessen entstehen in erster Linie Lithiumcarbonat und Lithiummineralkonzentrate, welche dann weiter verarbeitet werden können zu Lithiumhydroxid, Butyllithium, Lithiummetall, Lithiumchlorid und weiteren Lithiumverbindungen.

Daten zur Lithiumproduktion werden entweder von einigen nationalen Institutionen wie dem United States Geological Survey (USGS 2009) und der Raw Materials Group (RMG 2009), von manchen Lithiumproduzenten wie Sociedad Quimica y Minera de Chile (SQM 2007) und Talison Lithium (Miller 2008) oder von Consultants wie Roskill Information Services (Roskill 2006) zur Verfügung gestellt. Im Allgemeinen sind diese Produktionsdaten Mengenschätzungen für die aus den Rohstoffen erzeugten Mineralkonzentrate und Lithiumverbindungen. Verwendet wurden die länder- und minenspezifischen Daten der Raw Materials Group, auf deren Basis die jeweiligen Lithiumproduktionsmengen mithilfe zusätzlicher Informationen aus dem Minerals Yearbook des United States Geological Survey den entsprechenden Quellen zugeordnet werden konnten (RMG 2009; USGS 2008).

4.2.2   Herstellung von Produkten

Die unterschiedlichen Lithiumverbindungen werden für die Herstellung diverser Produkte und Anwendungen benötigt (vgl. Tab. 2). So dient Lithiumcarbonat nicht nur als Flussmittel für Glasuren oder als Schmelzzusatz in der Aluminiumherstellung, sondern vorwiegend zur Erzeugung von Lithiummetalloxiden für die positive Elektrode in Lithium-Ionen-Akkumulatoren. Lithiumhydroxid ist Ausgangsmaterial für Lithiumschmierfette, die z. B. für Fahrzeuge benötigt werden. Lithiummineralkonzentrate werden zur Schmelzpunkterniedrigung in der Glasindustrie benötigt. Lithiummetall findet Verwendung als Anodenmaterial in Lithiumbatterien, als Bestandteil in Magnesium- und Aluminiumlegierungen sowie in Arzneimitteln zur Behandlung psychischer Erkrankungen. Lithiumchlorid und -bromid werden als Trockenmittel z. B. in Klimaanlagen eingesetzt.

Tab. 2:   Lithiumverbindungen und ihre Verwendung

Lithiumverbindungen Produkte
Lithiumcarbonat Batterien, Keramik, Polymere, Aluminiumherstellung
Lithiummineralkonzentrate Glas
Lithiumhydroxid Schmiermittel
Butyllithium Synthesekautschuk, Pharmazeutika
Lithiummetall Batterien, Pharmazeutika, organ. Chemikalien, Legierungen
Lithiumchlorid Klimaanlagen
Lithiumbromid Klimaanlagen

Quelle:   Eigene Darstellung (nach Ebensperger et al. 2005; Garrett 2004)

4.2.3   Nutzung

Aufgrund der großen Anzahl verschiedener lithiumhaltiger Produkte ist es praktisch unmöglich, einzelne Produkte als Materialflüsse darzustellen. Zahlen zum Lithiumverbrauch sind lediglich für die einzelnen Verbrauchssektoren verfügbar. Als Daten wurden der weltweite Lithiumverbrauch von 21.620 Tonnen für das Jahr 2007 sowie die prozentuale Aufteilung auf die Nutzungssektoren von Miller (2008) verwendet (Abb. 1).

Abb. 1:   Verbrauch von Lithium

Verbrauch von Lithium

Quelle:   Eigene Darstellung auf Basis von Miller 2008

In der Nutzungsphase kann zwischen dissipativen und nicht dissipativen Lithiumanwendungen unterschieden werden. Bei dissipativen Lithiumanwendungen gelangt das enthaltene Lithium bereits während der Nutzungsphase in die Umwelt, es ist dadurch nach nur einmaligem Gebrauch praktisch „verloren“ und kann nicht wiederverwendet werden. Zu den dissipativen Lithiumprodukten gehören z. B. Pharmazeutika, Schmiermittel, Poolchemikalien und Pigmente. Im Gegensatz dazu sind nicht dissipative Lithiumanwendungen grundsätzlich recyclingfähig und gelangen am Ende der Nutzungsphase zur Entsorgung. Das in diesen Produkten enthaltene Lithium ist demnach „nicht verloren“ und potenziell rückholbar und kann generell auch wiederverwendet werden. Als Beispiele für solche recyclingfähigen Lithiumprodukte lassen sich Batterien, Legierungen, Glas und Keramik oder Trockenmittel in Klimaanlagen nennen. Da die Zahlen in den verschiedenen Nutzungssektoren unspezifisch bezüglich der einzelnen Lithiumprodukte bleiben, ist nur eine grobe Abschätzung der Materialströme von der Nutzungsphase zur Entsorgung oder in die Umwelt basierend auf diesen Zahlen möglich.

4.2.4   Entsorgung

Die Recyclingmöglichkeiten für Lithiumprodukte im Prozess Entsorgung sind unterschiedlich dahingehend, ob eine Rückgewinnung des Metalls erfolgen kann oder ob lediglich ein Recycling der lithiumhaltigen Produkte stattfindet ohne eigentliche Metallrückgewinnung (Ziemann et al. 2010b). Eine Lithiumrückgewinnung ist bislang nur beim Recycling von Lithiumbatterien und Lithium-Ionen-Akkumulatoren möglich. Dabei entsteht sekundäres Lithium, das wieder der Produktion zugeführt werden könnte (USGS 2009). Bisher konzentrieren sich die bestehenden Recyclingprozesse für Akkumulatoren (z. B. pyrometallurgische Prozesse) vorwiegend auf die Kathodenmaterialien Kobalt und Nickel und ermöglichen bisher keine Lithiumrückgewinnung (Dewulf et al. 2010). Vielmehr landet das Lithium bei diesem Prozess in der Schlacke und kann nur noch in anderen Nutzungen wie z. B. der Betonherstellung verwendet werden (Tytgat et al. 2008). Dies deutet darauf hin, dass die Lithiumrückgewinnung bisher nicht ökonomisch ist. Die Gründe dafür liegen im geringen Lithiumgehalt der Batterien (ungefähr fünf bis sieben Prozent in Lithium-Ionen-Akkus) als auch im bislang noch niedrigen Rohstoffpreis. Der Materialfluss vom Lithiumrecycling zurück zur Produktion gilt somit als unerheblich.

Für die anderen Nutzungssektoren wie z. B. Glas und Keramik oder Klimaanlagen kommt bislang nur ein Produktrecycling infrage, welches teilweise bereits durchgeführt wird (z. B. bei Glas). Die dadurch entstehenden lithiumhaltigen Recyclingprodukte könnten wieder den jeweiligen Herstellungsprozessen zugeführt werden. Zur Quantifizierung dieser Stoffströme sind jedoch keine Daten verfügbar.

4.3   Berechnung der Materialflüsse

Da eine Stoffstromanalyse grundsätzlich auf den physikalischen Gesetzen der Massen- und Energieerhaltung basiert, erfolgte für alle vier Prozesse ein Abgleich der Input- und Outputströme.

4.4   Schematische Darstellung und Interpretation der Ergebnisse

Das entwickelte Stoffstrommodell von Lithium (Abb. 2) stellt den Lithiumfluss von den Erzen (aus der Umwelt) durch die einzelnen Prozesse bis zurück in die Umwelt auf globaler Ebene dar. Informationen zu den einzelnen Lithium-Stoffströmen sind spärlich und es treten einige Datenlücken auf, welche soweit möglich durch direkte Informationen entweder von Organisationen (wie z. B. Raw Materials Group) oder Unternehmen geschlossen wurden. Da außerdem die Zahlen für einige Prozesse in unterschiedlichen Quellen variieren, war es notwendig, die Gründe für diese teilweise signifikanten Ungleichheiten nachzuvollziehen und verlässliche Zahlen zu verwenden. Für einzelne Prozesse war es zudem erforderlich, vorhandene Daten durch Annahmen und Massenbilanzen der Input- und Outputströme zu ergänzen. Die Darstellung der Lithiumstoffströme im Modell lässt eine Ungleichheit zwischen der Lithiumproduktion von 25.750 t/a und einem Verbrauch von nur 21.620 t/a erkennen. Für diese verbleibende Menge von 4.130 t/a Lithium wurde der Sektor „Unbekannt“ eingeführt (Abb. 2). Die identifizierte Abweichung ist nicht die Folge der Verwendung verschiedener Datenquellen. Vergleichbare Differenzen können auch in anderen Publikationen wie z. B. Roskill (2006) und USGS (2008) festgestellt werden. Eine plausible Erklärung für diese Differenz kann eine nicht berücksichtigte Anwendung (in der Nutzungsphase) sein oder sie deutet auf wachsende Lithiumlager hin (als mögliche strategische Vorratshaltung).

Abb. 2:   Stoffstrommodell für Lithium (Stand 2007)

Stoffstrommodell für Lithium

Quelle:   Eigene Darstellung auf Basis von: RMG 2009; Miller 2008; USGS 2008

Von der Nutzungsphase gibt es Flüsse direkt in die Umwelt, welche das Lithium aus den dissipativen Anwendungen Pharmazeutika und Schmiermittel in der Menge von 3.892 t/a mindestens enthalten. Da die Sammlung von End-of-Life-Produkten selten vollständig erfolgen kann (z. B. bei Handys), ist die jeweilige Lithiummenge, welche die Entsorgung erreicht, immer ein bisschen geringer als die, welche in die Produkte hineingeht. Die verschiedenen Materialströme aus dem Prozess Entsorgung lassen sich aufgrund fehlender Daten lediglich qualitativ darstellen.

5     Die Rohstoffverfügbarkeit von Lithium

Hinsichtlich der geologischen Vorkommen ist Lithium in ausreichender Menge verfügbar. Konservativ geschätzt betragen die Reserven 4,1 Mio. t und die Ressourcen 13,8 Mio. t (USGS 2009). Optimistische Schätzungen gehen von rund 20 Mio. t für die Reserven (Evans 2008) und bis zu 64 Mio. t für die Ressourcen (Yaksic, Tilton 2009) aus. Eine baldige Erschöpfung der Lithiumvorkommen ist damit auszuschließen. Dies wird auch in Weil et al. (2009) dargestellt: Selbst bei einer hohen Marktdurchdringung der Elektroautos ab 2015 würden die konservativ geschätzten Reserven bis zum Jahr 2060 reichen und die optimistisch geschätzten wären nicht vor 2130 aufgebraucht, obwohl Recycling in diesen Szenarien aufgrund der gegenwärtigen Praxis noch keine Rolle spielt.

Allerdings besteht dennoch ein Risiko für die Einschränkung der Lithiumverfügbarkeit aufgrund der momentanen Bedingungen für die primäre Rohstoffproduktion.

So ist das Lithium, welches aus den Salzseen in Südamerika gewonnen wird, nur ein Koppelprodukt bei der mengenmäßig deutlich wichtigeren Erzeugung von Kali- und Magnesiumsalzen. Auch bei der Gewinnung aus Pegmatiten galt das Hauptaugenmerk beim Abbau größtenteils den Tantalmineralien, die oftmals gemeinsam mit Lithiummineralen vorkommen. Eine zukünftige Ausweitung der Lithiumgewinnung aus diesen Quellen ist folglich auch von der Marktentwicklung für die mengenmäßig bedeutsameren Hauptprodukte abhängig.

Hinzu kommt eine starke regionale Konzentration der Lithiumproduktion. Mehr als 75 Prozent der Jahresproduktion von 2007 wurden von Chile, Australien und Argentinien erbracht, wobei allein 55 Prozent der Gesamtproduktion aus den beiden südamerikanischen Ländern stammt (vgl. Abb. 3).

Abb. 3:   Verteilung der globalen Lithiumproduktion 2007

Verteilung der globalen Lithiumproduktion 2007

Quelle:   RMG 2009

Zusätzlich ist eine entsprechende unternehmerische Konzentration bei der Lithiumproduktion zu verzeichnen; drei Unternehmen (SQM, Rockwood, Talison) dominieren mit einem Anteil von 70 Prozent der jährlichen Produktionsmenge den Markt (vgl. Abb. 4).

Abb. 4:   Anteile der produzierenden Unternehmen an der Lithiumproduktion (2007)

Anteile der produzierenden Unternehmen an der Lithiumproduktion

Quelle:   RMG 2009

Darüber hinaus ist das Lithium-Recycling bisher stark eingeschränkt. Anhand des Modells lassen sich dissipative und nicht oder nur wenig dissipative Anwendungen voneinander unterscheiden. Daraus ergibt sich ein gutes Bild des Recyclingpotenzials. Das Lithium in dissipativen Anwendungen kann nicht zurück gewonnen werden, eine Vermeidung der dissipativen Verluste durch diese Anwendungen ist ebenfalls nicht möglich. Doch auch bei den recyclingfähigen Produkten gibt es Unterschiede. Beim Batterierecycling wird bisher so gut wie kein Lithium zurück gewonnen (vgl. Kap. 4.2.4). Tatsächlich kann aber nur durch das Batterierecycling (Materialebene) primäres Lithium in großem Umfang in der Zukunft ersetzt werden, auch wenn noch nicht bekannt ist, ob die Qualität des sekundären Lithiums für die Wiederverwendung in Hightech-Anwendungen ausreicht. Prinzipiell kann auch ein Recycling auf der Produktebene den Bedarf an primärem Lithium für die Herstellung neuer Produkte reduzieren (wie z. B. der Einsatz von Recyclingglas in der Glasherstellung). Jedoch gibt es in anderen Nutzungssektoren (wie z. B. Keramik oder Chemikalien) viele verschiedene Produkte, deren Trennung zum Erhalt qualitativ hochwertiger Recyclingprodukte schwierig sein kann. Somit bleibt der Beitrag des Produktrecyclings zur Einsparung von primärem Lithium weitgehend unklar.

6     Schlussfolgerung

Um die Entwicklung, Einführung und Durchsetzung bedeutender rohstoffabhängiger Energietechnologien wie den elektrochemischen Energiespeichern weiterhin zu ermöglichen, ist die mittel – bis langfristige Verfügbarkeit der benötigten Rohstoffe genauer zu untersuchen. Auf der Grundlage verlässlicher und möglichst transparenter Informationen können dann forschungsstrategische Entscheidungen in Technologieentwicklungsprozessen wissensbasiert getroffen werden.

Am Beispiel von Lithium wurde gezeigt, wodurch trotz ausreichender geologischer Vorkommen ein potenzielles Verfügbarkeitsrisiko bestehen kann. Dies wird auch durch andere Studien in diesem Bereich bestätigt (ZSW 2010; NRC 2007). Daran wird deutlich, dass grundsätzlich das Wissen über die strategischen Metalle und die komplexen Zusammenhänge in ihren jeweiligen Rohstoffkreisläufen zu erweitern ist. Hierzu kann die Stoffstromanalyse einen wichtigen Beitrag leisten.

Die Auswirkungen einer Verfügbarkeitseinschränkung sind sowohl von der Bedeutsamkeit der Metalle in den einzelnen Schlüsseltechnologien als auch von den Möglichkeiten zur Ressourceneinsparung und zur Substitution abhängig. Deshalb ist es entscheidend, primäre Rohstoffe einzusparen, um die zukünftige Verfügbarkeit eines Rohstoffs zu verbessern und die Risiken einer Verfügbarkeitseinschränkung zu minimieren. Anhand eines solchen Stoffstrommodells, wie es hier für Lithium vorgestellt wurde, können die globalen Stoffströme vieler strategischer Metalle sichtbar gemacht und so auch die Einflussfaktoren auf die zukünftige Verfügbarkeit abgeleitet werden. Hierbei lassen sich das Recyclingpotenzial des jeweiligen Metalls darstellen und durch die Unterscheidung verschiedener Dissipationsgrade der Anwendungen auch Sektoren feststellen, in denen Recyclingaktivitäten verstärkt werden sollten. Darüber hinaus erlaubt das Modell die Identifizierung verschiedener Bereiche zur Effizienzsteigerung der Rohstoffnutzung und zur Reduzierung des primären Rohstoffeinsatzes, wodurch entsprechende Empfehlungen abgeleitet werden können.

Das Modell ermöglicht bisher nicht die Darstellung der Lagerveränderungen in der Nutzungsphase. Um diese Lagerbildung bzw. die mögliche Lithiumakkumulation in der Anthroposphäre wiederzugeben, ist eine dynamische Modellierung des Lithiumstoffstroms erforderlich. Anhand der Lagerbildung in der Nutzungsphase lässt sich dann in Abhängigkeit von den verfügbaren Recyclingtechnologien die potenzielle Menge des recycelten und wieder verwertbaren Lithiums abschätzen. Darüber hinaus ermöglicht eine solche Dynamisierung des Stoffstrommodells langfristige Szenarienanalysen über die zukünftige Entwicklung der Nachfrage und des Recyclingpotenzials (Müller et al. 2004).

Anmerkungen

[1]  Vgl. BMBF 2006 und Wietschel et al. 2010.

[2]  Siehe zu diesem Thema auch Angerers Beitrag zu „Hightech-Metalle für Zukunftstechnologien“. In: Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis 19/1 (2010), S. 32–39

[3]  Neben „kritisch“ und „strategisch“ gibt es im Kontext der Rohstoffverfügbarkeit noch weitere Bezeichnungen für Metalle, Minerale oder Rohstoffe wie „selten“, „knapp“ oder „vulnerabel“ (Ziemann et al. 2010a).

[4]  In dissipativen Anwendungen wird ein Metall während der Nutzung so fein verteilt und verstreut, dass es praktisch nicht mehr recycelt werden kann (Ziemann et al. 2010b).

Literatur

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