Climate Engineering aus transdisziplinärer Perspektive

Tagungsberichte

Climate Engineering aus transdisziplinärer Perspektive

Bericht von der zweiten Sommerschule zu Climate Engineering
Banff, Kanada, 1.–7. August 2011

Nils Matzner, Goethe Universität Frankfurt a. M., und Stephanie Uther, Universität Heidelberg

Mit dem erklärten Ziel, speziell für Nachwuchswissenschaftler ein Forum für die Entwicklung und den Austausch neuer Forschungsideen zu schaffen, wurde in der ersten Augustwoche 2011 zum zweiten Mal eine transdisziplinäre Sommerschule zu Climate Engineering[1] veranstaltet. Der Schwerpunkt lag diesmal auf sozialwissenschaftlichen Aspekten des Climate Engineering. Wie auch im Vorjahr wurde die Sommerschule gemeinsam von der Universität Heidelberg (Marsilius-Kolleg), der University of Calgary und der Carnegie Mellon University organisiert[2] und fand inmitten des kanadischen Nationalparks Banff statt. Die in den einzelnen Vorträgen und Workshops diskutierten Themen zeigten das breite Spektrum an Risiken, Chancen und Herausforderungen im Umgang mit den vorgeschlagenen Technologien. Diese werden gegenwärtig aufgrund ihrer zahlreichen technischen, sozialen, ökonomischen, ethischen und politischen Unsicherheiten kontrovers diskutiert.

1    Interdisziplinäres Teilnehmerfeld

Insgesamt nahmen rund 60 Nachwuchswissenschaftler aus den USA, Europa (Großbritannien, Deutschland, Finnland) sowie Kanada, China und Indien teil. Die Teilnehmer kamen sowohl aus den Natur- und Ingenieurwissenschaften als auch aus den Wirtschafts-, Sozial- und Geisteswissenschaften. Begleitet wurde die Sommerschule durch Präsentationen verschiedener Wissenschaftler aus der internationalen Climate-Engineering-Forschung: David Keith (Harvard University), Granger Morgan (Carnegie Mellon University), Ted Parson (University of Michigan), Jane Long (UC Berkeley), Tim Kruger (University of Oxford), Joachim Funke (Universität Heidelberg), Hans Gebhardt (Universität Heidelberg) und Ulrich Platt (Universität Heidelberg). Während im Jahr 2010 die Präsentationen einen naturwissenschaftlichen Schwerpunkt hatten, standen 2011 Probleme von Politik, (sozialem) Risiko und Governance-Aspekte im Vordergrund. Insgesamt blieb jedoch die Zeit für Vorlesungen und Workshops begrenzt, um den Teilnehmern die Möglichkeit zu Diskussionen und Ideenentwicklung in Gruppenarbeit zu geben. Darüber hinaus sollten Aktivitäten wie Szenariospiele und ein „Idea-Speed-Dating“ den interdisziplinären Dialog zwischen den Teilnehmern stärken.

2    Vorträge

Die Präsentation von Joachim Funke umfasste eine kurze Einführung in die psychologischen Aspekte des komplexen Problemlösens. Nach Funke müsse Climate Engineering als Prototyp eines „komplexen Problems“ angesehen werden. Er warnte in seinem Vortrag vor typisch menschlichen Fehlern im Umgang mit Technologien, u. a. im Bereich der Modellbildung oder wertbasierter Entscheidungen. Der Vortrag von Jane Long befasste sich mit geeigneten Strategien, um Climate Engineering besser zu kommunizieren und mit der Öffentlichkeit in einen Dialog zu treten. Long kritisierte die unterschiedlichen Begriffsverständnisse und Definitionen von Climate Engineering und betonte die Notwendigkeit eines unabhängigen Organs zur politischen Regulierung der Technologien. Tim Kruger machte in seiner Präsentation „Engagement, Communication and Magic“ auf die unterschiedlichen Risikodimensionen von Climate Engineering aufmerksam und verwies auf die Notwendigkeit, möglichst früh über aufkommende Risiken zu sprechen.

Ulrich Platt, der ankündigte, mit seinem Vortrag sowohl zu informieren als auch zu unterhalten, begab sich auf die Suche nach ganz neuen Ansätzen: Sonnenrückreflexion mittels feiner Wasserbläschen im Ozean, der Herstellung von Aerosolen direkt in der Atmosphäre durch einen Terawatt-Laser oder der Beförderung von Aerosolen in die Stratosphäre mittels eines Vortex-Ringes. Unterhaltend waren Kreativität und Gewagtheit der neuen Anwendungsideen. Alle unterliegen jedoch deutlichen Restriktionen, wie etwa der mangelnden Verfügbarkeit großer Mengen von TNT zum Schießen der Vortex-Ringe oder den gigantischen Mengen an Energie, die für den Terawatt-Laser notwendig wären. Der Beitrag von Platt machte dennoch Mut, über den Tellerrand bisheriger Technologieentwürfe hinauszuschauen.

Zu den Herausforderungen der Regulierung von Climate Engineering äußerten sich Granger Morgan und Ted Parsons in ihren Vorträgen, ohne jedoch politische Handlungsempfehlungen zu liefern. Die bisherige regulative Orientierungslosigkeit sei laut Morgan das Problem: „There is no utility for the world.“ Climate Engineering als Risikotechnologie könne nicht mit bisherigen Mitteln des Risk Management angegangen werden. Für die Entscheidungsfindung lasse sich nicht von einem einzelnen Entscheider ausgehen, ebenso seien keine einheitlichen Maßstäbe vorhanden und Unsicherheiten erschwerten den Prozess zusätzlich. Diese Schwierigkeiten fasste Ted Parsons als „Morgans Dilemma“ zusammen und schlug dagegen einige Rahmenbedingungen vor. Wichtig sei es, auch die „schlechten“ Entscheidungen mit in das Regulierungsmodell einzubeziehen. Wir müssten damit rechnen, dass wir „zu viel“ oder „zu wenig“ Climate Engineering einsetzen, und deshalb sei es wichtig, Forschung kontrolliert voranzutreiben. Insgesamt brauche man ein forschungspolitisches, ein regulatives und ein sicherheitspolitisches Regime, welches nach und nach entwickelt werden müsse.

3    Neue Forschungsansätze

Gegen Ende der Sommerschulwoche bekamen die Teilnehmer Gelegenheit, in kleinen Gruppen neue Forschungsprojekte zu entwickeln und ihre Ideen in Form kurzer Proposals bei der Sommerschulleitung einzureichen. Dabei wurden ganz unterschiedliche Projektvorschläge vorgebracht: Eine Gruppe befasste sich beispielsweise mit der Konzeptentwicklung eines Online-Computerspiels zu Klimawandel und den Möglichkeiten des Climate Engineering. Eine andere Gruppe hatte es sich zum Ziel gesetzt, aus naturwissenschaftlicher Sicht die Effekte einer kombinierten Anwendung der Methoden „Solar Radiation Management“ und „Carbon Dioxide Removal“ in einem Klimamodell zu untersuchen. Ein weiteres Team stellte Überlegungen zu völkerrechtlichen Aspekten des Climate Engineering im Hinblick auf Menschenrechte an.

4    Die Zukunft des Climate Engineering

Mit den Worten „The year is 2050. CO2 concentrations are 550 ppm“ begann die Beschreibung einer Szenario-Aufgabe für die Teilnehmer. Zwei derart düstere Zukunftsszenarien wie auch ein positives Szenario sollten als Grundlage für eine Rückwärtsprognose dienen („backcasting“). Vom Standpunkt der beiden negativen Zukünfte und der einen positiven möglichen Zukunft aus (genannt „good“, „bad“ und „ugly“) sollten Arbeitsgruppen diejenigen Wendepunkte antizipieren, die zu eben dieser Zukunft geführt haben könnten. Von den Teilnehmern wurden schlechte Zukunftsaussichten mit starken Nebenfolgen von Climate Engineering, internationalen Konflikten und einem politischen Dilemma kollektiven Handelns begründet. Dagegen sahen sie einen Ausweg in der Stärkung der Vereinten Nationen als Institution für Technologieregulierung. Die Lösungsansätze waren phantasievoll – und wie von der Aufgabenstellung vorgesehen nicht immer ganz realistisch –, jedoch konnten kaum gänzlich neue Ideen generiert werden. Gleichzeitig wurde deutlich, wie wichtig und schwierig interdisziplinäre Arbeit bei einer Zukunftstechnologie wie Climate Engineering ist.

Bei einer kurzen Übung in Form eines Gedankenexperiments dachte die Plenumsgruppe gemeinsam mit David Keith und Ted Parsons über Wahrscheinlichkeit und Auswirkung eines sog. „Klimanotstandes“ sowie die Problematik eines solchen Konzepts nach. Genannt wurden zunächst die bekannten möglichen Folgen globaler Erderwärmung, wie steigender Meeresspiegel, Unwetterlagen und Dürren. Zwei zentrale Argumente sprachen dagegen, jene potenziellen Ereignisse als Notfall anzusehen: Auf der einen Seite wäre die Menschheit möglicherweise in der Lage, sich an alle diese Folgen anzupassen. Auf der anderen Seite bliebe das Problem der Zurechenbarkeit, d. h. die Frage, ob diese schadensreichen Ereignisse tatsächlich auf den Klimawandel zurückgeführt werden können. Für Keith und Parsons sollte Climate Engineering damit als wählbare Option diskutiert werden, jedoch nicht als eine, die aufgrund der Wahrnehmung eines Klimanotstandes eingesetzt werden müsse.

5    Ausblick

Die Unsicherheiten und Risiken des Climate Engineering bleiben weiterhin eines der wichtigsten Forschungsanliegen. Um Unsicherheiten in kalkulierbare Risiken zu transformieren[3], ist mehr Forschung notwendig, die stärker gefördert werden sollte; darin waren sich die Teilnehmer einig. Die Diskussionen auf der Sommerschule machten allerdings auch deutlich, dass Forschung und in erster Linie auch der potenzielle Einsatz der Technologien politisch reguliert werden sollte. Erste Ideen zu einer „research governance“ konnten gesammelt werden, ebenfalls wurde stärker an der Vernetzung auf interdisziplinärer Ebene gearbeitet.

Anmerkungen

[1]  Climate Engineering oder auch Geoengineering umfasst technikgestützte, großskalige Maßnahmen, um in das Erdsystem einzugreifen und damit die Folgen des Klimawandels abzumildern (vgl. Keith 2000, S. 246).

[2]  Die erste transdisziplinäre Sommerschule wurde im Juli 2010 am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg ausgerichtet (s. auch Uther, Matzner 2011).

[3]  Schon der Bericht der Royal Society stellt für den Umgang mit Climate Engineering heraus, dass sich aus Unsicherheiten keine Handlungsanweisung ableiten lässt, während Risiken wählbare Optionen beinhalten, deren Schaden nach Wahrscheinlichkeiten kalkulierbar ist. Forschung soll Wissenslücken möglichst weit schließen, damit zwischen Risikooptionen entschieden werden kann (Royal Society 2009, S. 37f.).

Literatur

Keith, D., 2000: Geoengineering the Climate: History and Prospect. In: Annual Review of Energy and the Environment 25, S. 245–284

The Royal Society (Hg.), 2009: Geoengineering the climate: science, governance and uncertainty. London

Uther, St.; Matzner, N., 2011: Initiativen in der Climate-Engineering-Forschung. Projekte, Konferenzen, Netzwerke: Ein Bericht über ausgewählte Forschungsaktivitäten in Deutschland. In: Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis 2/20 (2011), S. 94–98; https://.tatup-journal.de/tatup112_utma11a.php (download 26.1.12)