Meeting report: „Politikberatungskompetenzen heute: TA in Zeiten von Polykrisen und technologischem Wandel. 11. Konferenz des Netzwerks Technikfolgenabschätzung“, Conference, 2024, Berlin, DE

Angelina Sophie Dähms*, 1

* Corresponding author: angelina.daehms@kit.edu

1 Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse, Karlsruher Institut für Technologie, Karlsruhe, DE

© 2025 by the authors; licensee oekom. This Open Access article is published under a Creative Commons Attribution 4.0 International Licence (CC BY).

TATuP 34/1 (2025): S. 68–69, https://doi.org/10.14512/tatup.7177

Published online: 21. 3. 2025

Die verschiedenen Krisen, technologischen Sprünge und digitalen Transformationsprozesse in Zeiten der (generativen) künstlichen Intelligenz (KI), mit der sich die Gesellschaft auseinandersetzen muss, wirken sich auch auf das Feld der Technikfolgenabschätzung (TA) in der Funktion der wissenschaftlichen Politikberatung aus. Aufgrund der Veränderungen muss diese immer schneller, aber dennoch wissenschaftlich fundiert erfolgen, sodass (generative) KI als potentielle Hilfe diskutiert wird. Wie die Veränderungen, die mit neuen Bedarfen und Kompetenzen einhergehen, die TA und auch die Politikberatung beeinflussen, wurde auf der 11. Konferenz des Netzwerks Technikfolgenabschätzung diskutiert, die vom 18. bis 20. November 2024 im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und in den Design Offices in Berlin stattfand. Das Programm bot mit 19 Work- und einer Postersession, Vorträgen, Podiumsdiskussionen sowie Keynotes viel Raum für fachlichen Austausch.

Resilient und standfest bleiben

Die Tagung begann für alle Teilnehmenden auf (zumindest für den Bereich der TA) unübliche Weise: Mit einer Personenkontrolle am Eingang des BMBF. Eröffnet wurde die Konferenz dann von Michael Decker (KIT, Karlsruhe). Neben dieser offiziellen Begrüßung sprachen Jörn Hasler in der Vertretung des BMBF, Alena Buyx (TU München) zur wissenschaftlichen Ethikberatung in der Politik aus der Sicht des Deutschen Ethikrates und Armin Grunwald (KIT, Karlsruhe) zu den Polykrisen und Auswirkungen auf die Politikberatung. Alena Buyx betonte, wie wichtig es sei, in der Öffentlichkeit immer wieder den wissenschaftlichen ‚state-of-the-art‘ zu betonen, um dem (in Anlehnung an Harry Frankfurts Begriff) Meer von ‚Bullshit‘ standhalten zu können. „Wir sind umgeben von Dingen, die Quatsch sind – und trotzdem ein wichtiger Teil einer Öffentlichkeit geworden sind“, sagte Buyx. Darum müsse man „immer wieder mit Ruhe erklären“, dass wissenschaftliche Politikberatung nicht „aus dem Bauch heraus“ komme, sondern auf Fakten basiere. Dies sei eine Herausforderung angesichts der Erwartungshaltung aus der Politik, die Buyx so formulierte: „Gib’ mir ’ne zackige Lösung, erklär’s mir schnell, verständlich und nicht zu lang, zack, zack.“ Aufmerksamkeit sei in schnelllebigen Zeiten nach wie vor der Schlüssel zum Erfolg, auch in der Politikberatung. Und dennoch sei es wichtig, sich auf die eigenen wissenschaftlichen Fähigkeiten zu besinnen und nicht in der völligen Anpassung an aktuelle Prozesse und politischen Anforderungen unterzugehen, so Buyx. Die Wissenschaftlichkeit, gerade bei der Erstellung von ausführlichen Berichten, müsse demnach gewahrt bleiben, auch wenn die Politik beispielswiese lieber kurze Stellungsnahmen erhielte.

Armin Grunwald ergänzte diese Gedanken mit einem Impuls zu Politikberatung in Zeiten multipler Krisen, der sich ausführlich mit den sogenannten ‚wicked problems‘ befasste. Krisen seien „gegenwärtige Normalität“, konstatierte er. Die derzeitige graduelle Disruption veranschauliche den Prozess der (möglichen) Übernahme der Herrschaft des Menschen durch die KI. Auf der Basis eines digitalen Determinismus würden derzeit Entscheidungen getroffen, die aufgearbeitet werden müssten.

Am Ende des Tages kamen in der Podiumsdiskussion Judith Peterka (Bundeskanzleramt), Nicole Burkhardt (BMBF), Christoph Neuberger (Weizenbaum-Institut) und Ann-Katrin Schenk (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change, MCC, Berlin) zu Wort, die eine Liste an (neuen) Bedarfen und Erwartungen an die wissenschaftliche Politikberatung aus den einzelnen Perspektiven der Podiumsteilnehmenden erstellten.

20 Jahre Netzwerk Technikfolgenabschätzung

Das Jubiläum zu 20 Jahren Netzwerk TA wurde nicht nur mit einer Themenvielfalt auf der Konferenz gefeiert, sondern auch mit einem gut durchdachten Rahmenprogramm, wie zum Beispiel einer Live-Band am ersten Abend, Live-Interviews mit langjährigen Mitgliedern sowie einer hervorragenden Verköstigung. Am zweiten Konferenztag standen 15 Worksessions zur Auswahl, die sich thematisch von Beteiligungsformaten und Akteurskonstellationen, über Empfehlungen und Instrumente für die TA-nahe Politikberatung (mit generativer KI), TA-Arbeit im Ländervergleich, Futures Literacy und Methodenwahl sowie Reflexion und Diskussion über TA erstreckten. Zudem wurde die Vielfalt durch die Poster dargestellt, die sich thematisch beispielsweise mit Wissenstransfer und Transformation Assessment befassten. Bei einer derartigen Auswahlmöglichkeit an spannenden Veranstaltungen war die Entscheidung, welche Session besucht und welche Poster angesehen werden sollen, wohl die schwierigste Aufgabe der Konferenz – die sogenannte Qual der Wahl.

In der Session zu ‚TA in den Parlamenten‘ wurde der Wandel der Politikberatung am Beispiel des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) von Florian Hoffmann (Universität Speyer) präsentiert. Hoffmann erklärte dies anhand von Arbeitsberichten des TAB sowie TATuP-Artikeln hinsichtlich neuer Themensetzungen oder Fokussen auf bestimmte Themen.

Christoph Kehl (TAB, Berlin) ergänzte diese Ausführungen mit seinen Gedanken zu „Neue[n] Instrumente[n] für die parlamentarische Politikberatung in Zeiten von Polykrisen“. Die ‚alten‘ Arbeitsweisen hinsichtlich Gutachten und Horizon Scanning wurden mittlerweile um zwei neue Instrumente ergänzt: Resilienz-Radar und Resilienz-Check. Dadurch soll auf die neuen Anforderungen der Radarfunktion und erweitertem Foresight-Prozess Bezug genommen werden.

Gerlinde Wagner (Österreichisches Parlament) sprach in ihrer Keynote zu ‚Politikberatung: Folgt die Form der Funktion?‘ aus der Sicht der ‚Rechts‑, Legislativ- und Wissenschaftlichen Dienste‘ der Parlamentsdirektion des Österreichischen Parlaments und berichtete von der Arbeitsweise und den Projekten ihrer Abteilung. Als Abschluss des Tages wurde das neue Buch von Armin Grunwald ‚Handbook of Technology Assessment‘ vorgestellt, in dem es einen Überblick über die TA mit ihren Praktiken, Theorien, Methoden und Kulturen sowie ihren neuen Herausforderungen und Veränderungen gibt.

Aufruf zur NTA-Arbeitsgruppe

Eine ausführliche Worksession gab es zu ‚Potenziale und Herausforderungen der KI für TA und Politikberatung‘ unter der Leitung von Pauline Riousset (TAB, Berlin) im ersten Teil und zu ‚Wie KI die TA verändert‘ unter der Leitung von Jutta Jahnel und Christine Milchram (beide KIT, Karlsruhe) im zweiten Teil. Neben Eindrücken von Wissenschaftler*innen mit ihrer Nutzung von generativer KI in Forschungsprojekten wurden auf einem Whiteboard die Anwendungserfahrungen der Teilnehmenden von generativer KI und ihren Einsatzmöglichkeiten festgehalten, sodass auf deren Grundlage Ideen für eine Leitlinie für den Umgang mit generativer KI festgehalten und ausgetauscht wurden. Eine Leitlinie könne laut Michael Nentwich (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien) unter anderem folgende Aspekte beinhalten: nur in Europa gehostete generative KI-Tools, Autor*in kann nur der Mensch sein, Verantwortung liegt beim Menschen, Transparenz und Dokumentation des gesamten Forschungsprozesses und des genauen Einsatzes generativer KI, Qualitätssicherung durch den Menschen sowie die kontinuierliche Überprüfung der Leitlinie im Lichte der gesammelten Erfahrungen. Zum Ende der Worksession rief Michael Nentwich zur Gründung einer NTA-Arbeitsgruppe auf, um einen Ort für kritische Selbstreflexion der TA-Community und für Austausch über den Umgang mit den Herausforderungen des Einsatzes generativer KI in der TA und Politikberatung zu generieren.

Zukunft der Reallabore

Am dritten und letzten Tag der Konferenz standen vier Worksessions zur Auswahl: Reflexion von TA-Analysen, Zielgruppen politikberatender TA und ihren Beratungsmodi, Vergleich von Anwendungsfeldern TA-naher Beratung sowie die Aufgabe und Rolle von Reallaboren. Julia Epp (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Berlin) und Katja Treichel-Grass (MCC, Berlin) stellten in ihrem Vortrag ‚Wissenschaftliche Politikberatung als gesamtgesellschaftlicher Lernprozess am Beispiel Klimaforschung‘ die Verbindungen zwischen Politik und Verwaltung, Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung vor, die sich unter anderem in Form von Bürgerdeliberationen, Stakeholder-Projekten und politikfokussierten Dialogformaten niederschlagen. Weiter ging es mit dem Vortrag von Marius Albiez (KIT, Karlsruhe) und seinem Team, die das Thema ‚Wie viel Technik vertragen Reallabore?‘ vorstellten. Den Wandel der Reallabore in Deutschland präsentierten sie durch die Veränderung des Leitbilds von ‚Nachhaltiger Entwicklung‘ hin zu einer energiebezogenen Technikentwicklung und Innovationen.

Politikberatung in der Technikfolgenabschätzung als sozioepistemische Praktik

Den Abschluss der Konferenz bildete mit Armin Grunwald, Michael Nentwich und Arnold Sauter (TAB, Berlin) ein ‚manel‘ (male panel), das von Alexander Bogner (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien) geleitet wurde. Zum Thema ‚Wie geht Qualitätssicherung in der TA-Politikberatung‘ ergänzten die drei Teilnehmenden ihre Qualitätskriterien für TA als Politikberatung recht einhellig. Einig war man sich ebenfalls bezüglich der TA-Politikberatung als sozioepistemische Praktik. Dialog und Transferleistung sowie multiperspektivische Arbeit und wissenschaftliche Unabhängigkeit sind nur einige der aufgezählten Qualitätskriterien. Mögliche Probleme seien, wie Alena Buyx bereits zu Beginn der Veranstaltung festgehalten hatte, Zeitdruck für Ergebnisse aufgrund des Entscheidungsdrucks in der Politik sowie die fehlende Zeit für umfassende Analysen für mittel- und langfristige Entwicklungen, obwohl genau das eine Kernaufgabe der TA sei. Auch in kurzen Formaten müssten die Qualitätsanforderungen der TA beibehalten werden. Abschließend stand fest: Angesichts von Polykrisen und technischen Herausforderungen kann die TA einen wichtigen Beitrag zum Umgang mit Problemen sowie deren Lösung leisten und muss sich an gewisse Veränderungen anpassen, sollte aber niemals ihre Kernaufgabe verlieren: wissenschaftliche Erkenntnis fördern und dementsprechend gute Beratungsleistungen liefern.

Weitere Informationen

Konferenzhomepage: https://www.itas.kit.edu/veranstaltungen_2024_nta11.php