Einführung in den Schwerpunkt

Schwerpunkt: Guaranteeing Transparency in Nuclear Waste Management. Monitoring as Social Innovation

Gewährleistung von Transparenz bei der Entsorgung nuklearer Abfälle: Monitoring als soziale Innovation

Einführung in den Schwerpunkt

von Peter Hocke, ITAS, Anne Bergmans, Universität Antwerpen, und Sophie Kuppler, ITAS

In allen Bereichen, in denen radioaktive Materialien zum Einsatz kommen – in Industrie, Forschung, medizinischen Anwendungen und insbesondere bei der Erzeugung von Kernenergie – fällt radioaktiver Abfall an. Die Gefahr, die von den hochaktiven (lebensbedrohliche Strahlendosen) und langlebigen (die Radioaktivität bleibt bis zu 100.000 oder sogar Millionen von Jahren erhalten) Abfällen insbesondere aus Kernkraftwerken ausgeht, ist für die Gesellschaft zu groß, um sich ihr für immer auszusetzen; die Abfälle würden eine ständige Behandlung und aufmerksame Fürsorge erfordern. Daher wurde bereits im Jahr 1957 von der US National Academy of Science die Endlagerung in tiefen geologischen Formationen als sicherste Entsorgungsmöglichkeit für diese Art von Abfällen vorgeschlagen (NAS 1957).

Gegenwärtig ist ein zentraler Diskussionspunkt in der jahrelangen Debatte über die bestmögliche Umsetzung eines solchen geologischen Endlagers der über das „Monitoring“. Der Begriff bezieht sich v. a. auf die technische Erfassung von Daten über die Entwicklung eines Endlagers und seiner Umgebung. Aber auch die gesellschaftliche Deutung dieser technischen Daten und die Einbindung der Monitoring-Aktivitäten in den Kontext „verantwortlichen Handelns“ oder „kontinuierlicher Wachsamkeit“ („constant vigilance“) sind Teil der Debatte.

1    Notwendigkeit eines Strategiewechsels

Bis vor Kurzem herrschte in Ländern wie der Schweiz, Deutschland und Belgien die Meinung vor, dass der Bau eines geologischen Tiefenlagers einfach zu realisieren sei und ein sicheres Endlager innerhalb von zwei bis drei Jahrzehnten errichtet werden könne.

Mit der zunehmenden Konkretisierung des Konzepts der Endlagerung in geologischen Formationen geriet die Idee eines von Anfang an wartungsfreien Endlagers immer mehr unter Druck. Die ursprüngliche, vereinfachte Vision einer relativ schnellen Abfolge von Genehmigung, Bau und Betrieb bis hin zum vollständigen Verschluss der Anlage hat sich in einigen Ländern als unrealistisch erwiesen. Mehrere strategische Richtungswechsel, Entscheidungsblockaden, Proteste und andere unvorhergesehene Hindernisse, einschließlich technischer Probleme, haben diese Bemühungen verzögert und werden es wohl auch weiterhin tun (z. B. Hocke/Renn 2009; Rosa et al. 2010). Darüber hinaus scheint sich in den meisten Fällen die ursprünglich geschätzte Betriebsdauer einer Anlage oder zumindest der Zeitraum nach Einlagerung der Abfälle und vor dem endgültigen Verschluss der Anlage von wenigen Jahrzehnten auf mindestens ein Jahrhundert zu erhöhen.

Hinzu kommt, dass viele Menschen sich darüber Gedanken machen, ob die langfristigen Sicherheitsansprüche nach dem endgültigen Verschluss eines geologischen Endlagers auch tatsächlich eingelöst werden können.

Vor diesem Hintergrund wurde die Forderung nach einem stärker am Vorsorgeprinzip orientierten Ansatz immer lauter. In der Debatte werden verschiedene Aspekte dieses Ansatzes hervorgehoben. Einer dieser Aspekte ist, dass es aufgrund der extrem langen Zeiträume, um die es hier geht, unmöglich ist, eine Entsorgungsoption als Lösung zu bezeichnen – auch wenn sie als abschließend oder endgültig betrachtet wird. Keiner der heute lebenden Menschen (und ebenso wenig von den nächsten hundert, wenn nicht gar Tausenden von Generationen) wird erfahren, ob das Konzept der passiven Sicherheit durch geologische Endlagerung tatsächlich funktioniert hat (vgl. Berkhout 1991). Daher ist nicht jeder bereit, bedingungsloses Vertrauen in die Geologie zu setzen – ein Gefühl, dass durch die negativen Erfahrungen mit früheren Sicherheitsanalysen noch verstärkt wird. In Deutschland beispielsweise haben die Probleme mit der Schachtanlage „Asse“, einem ehemaligen Forschungsbergwerk, das am Ende seiner Betriebsphase als Endlager genutzt wurde, zu diesem Wandel in der Wahrnehmung beigetragen (s. Regenauer et al. in dieser Ausgabe). Darüber hinaus wird oft darauf hingewiesen, dass sich der Stand von Wissenschaft und Technik, aber auch die gesellschaftlichen Forderungen bezüglich der Eigenschaften eines geplanten Endlagers in dem Zeitraum zwischen Standortwahl und Verschluss der Anlage ändern können. Auch die Möglichkeit, dass radioaktive Abfälle eines Tages vielleicht von zukünftigen Generationen wiederverwendet werden können, wird in einigen Ländern als Argument für eine größere Flexibilität bei der Konstruktion und Umsetzung geologischer Endlager angeführt.

Akteure, die für die Entsorgung radioaktiver Abfälle verantwortlich sind, haben – wenn auch mit einem gewissen Widerstreben – offenbar begonnen, die Konzepte „Umkehrbarkeit“ (die Möglichkeit, Entscheidungen rückgängig zu machen) und „Rückholbarkeit“ (die Möglichkeit, die Abfälle aus dem Endlager herauszuholen) als notwendige, aber zeitlich begrenzte Bedingungen anzuerkennen, um das Endziel der passiven Sicherheit zu erreichen.[1] Tatsächlich besteht heute selbst unter den stärksten Anhängern der geologischen Endlagerung ein breiterer Konsens darüber, dass der angestrebte Zustand der passiven Sicherheit nicht unmittelbar erreicht werden kann und dass die Stilllegung eines Endlagers ebenso eine soziale und politische wie auch eine technische Entscheidung sein wird. Die Forderung nach Transparenz und Dialog in der Entscheidungsfindung, durch die Kommunikation über unterschiedliche Problemwahrnehmungen und Rahmungen des Problems ermöglicht werden soll, wird immer lauter.

2    Ist Monitoring eine Lösung?

Monitoring, verstanden als jede Form der kontinuierlichen Beobachtung des Verhaltens eines Endlagers und seiner natürlichen und sozialen Umwelt, könnte in dieser Situation eine wichtige Rolle in der Entscheidungsfindung bezüglich des Umgangs mit radioaktiven Abfällen spielen, da Regionalpolitik, Behörden und Zivilgesellschaft daran interessiert sein werden, eine Kontrolle über sicherheitsrelevante Aspekte zu haben. Welche Rolle genau das Monitoring spielen wird, ist noch unklar, aber die Hoffnung auf Transparenz ist immer damit verbunden. Monitoring allein wird jedoch nicht das Versprechen erfüllen können, zu einem höheren Maß an Transparenz hinsichtlich der Sicherheit eines bestehenden Endlagers zu führen. Diese Erwartung lässt sich nur mit einem technischen Monitoring erfüllen, das die erforderliche Informationsbasis schafft, um Entscheidungsoptionen aufzuzeigen. Die gesellschaftlichen Prozesse, die notwendig sind, um die technischen Daten aus dem Monitoring in Handlungsoptionen zu übersetzen, können als „soziales Monitoring“ bezeichnet werden. Um ein soziales Monitoring zu gewährleisten, müssen kurzfristig entsprechende Institutionen geplant und geschaffen werden. Voraussetzung für die Institutionalisierung eines sozialen Monitorings sind „soziale Innovationen“.[2] Diese müssen sich mit Problemen beschäftigen wie Governance-Prozesse, Wissensmanagement über mehrere Jahrzehnte hinweg und dem Finden akzeptierter Entscheidungen unter „offeneren“ Bedingungen, d. h. mit größerer Beteiligung der Öffentlichkeit.

Die Umsetzung solcher sozialer Innovationen ist eine komplizierte Aufgabe. Eine der Herausforderungen ist beispielsweise die Erarbeitung einer Arbeitsdefinition, die beschreibt, was „Gewährleistung von Transparenz“ in der Praxis bedeutet. Viele Institutionen mit unterschiedlichen Arbeitskulturen und unterschiedlichen Vorstellungen davon, was Transparenz bedeutet, müssten eingebunden werden und wären gezwungen, ihre Alltagskonzeptualisierungen in tragfähige Kompromisse umzuwandeln. Eine weitere Herausforderung ist die Kombination von formellen und informellen Entscheidungsstrukturen, die für sinnvolle Partizipation erforderlich ist (s. Swyngedouw 2005). Darüber hinaus impliziert das Aufgeben der Idee eines wartungsfreien Endlagers eine Verlagerung von Pflichten und Verantwortungen auf zukünftige Generationen, während die Lösung des Atommüllproblems innerhalb der gegenwärtigen Generation lange Zeit als vorrangiges Ziel betrachtet wurde.

3    Die Diskussion über Monitoring

Unser Ziel ist es, der Annahme nachzugehen, dass jedes Monitoring mehr oder minder komplexe gesellschaftliche Prozesse beinhaltet. Diese können sich darin unterscheiden, auf welche Weise zivilgesellschaftliche Organisationen und Stakeholder beteiligt sind, doch sie beruhen immer auf Prozessen von Wissensproduktion und Wissensmanagement.

Die gegenwärtige Diskussion über Monitoring befindet sich noch in einer frühen Phase und konzentriert sich weitgehend auf das technische Monitoring. Sie hat noch nicht vollständig Eingang in die öffentliche Debatte gefunden, sondern findet v. a. innerhalb verantwortlicher Organisationen und in internationalen Foren wie der Atomenergiebehörde (IAEA), der Kernenergieagentur (NEA) der OECD und der Internationalen Kommission für Strahlenschutz (ICRP) sowie in speziellen EU-Forschungsprojekten statt – zu letzteren gehören das FP5-Themennetzwerk zum Monitoring bei der Endlagerung in geologischen Formationen (2001–2003), und das FP7-Projekt MoDeRn (2009–2013) (z. B. IAEA 2001, IAEA 2011; NEA 2011; ICRP 2011; EC 2004; MoDeRn 2010; Mayer et al. 2012). Da das Thema eng mit praktischen Fragen der Umsetzung verbunden ist, besteht die Gefahr, dass sich eine „neue Technokratie“ herausbilden könnte. Reflektierende Diskussionen in den Sozialwissenschaften (z. B. Crouch 2011; Rifkin 2011; Grande 2012) haben gezeigt, dass analytische Ergebnisse von Forschung zu Governance und anderen beteiligungsorientierten Formen, die die Erwartungen von Stakeholdern und zivilgesellschaftlichen Organisationen berücksichtigen, keine allzu optimistischen Interpretationen zulassen. In vielen Fällen werden die neuen beteiligungsorientierten Formen der Debatte und Diskussion die Konflikte um radioaktive Abfälle nicht lösen.[3] Im Kontext problemorientierter Forschung scheint es dennoch durchaus sinnvoll, darüber nachzudenken, wie sich technische und soziale Formen des Monitorings integrieren lassen. Die Vorteile eines schrittweisen Ansatzes für die Standortwahl und -planung, die Betriebsphase (in der die Abfälle in das Endlager eingebracht werden), die Phase der Vorbereitung und tatsächlichen Verschließung sowie die Phase nach dem Verschluss könnten dadurch verstärkt werden. Auf die Vorteile und Probleme wird in diesem Schwerpunkt näher eingegangen. Wissenschaftler, Vertreter von Regulierungsbehörden und der Industrie kommen darin zu Wort und schildern aus ihrer Sicht, was Monitoring für sie bedeutet, welche Dilemmata und Probleme es gibt und welche Rolle Monitoring bei der Entsorgung radioaktiver Abfälle spielen kann.

4    Die Beiträge dieses Schwerpunktes

Beate Kallenbach-Herbert und Stefan Alt eröffnen den Schwerpunkt mit einem Überblick über zentrale Diskussionsthemen. Sie zeigen auf, dass Monitoring, auch in Abhängigkeit der jeweiligen Phase eines Endlagerbaus, unterschiedlichen Zwecken dienen kann, und weisen darauf hin, dass vor seiner Umsetzung geklärt werden muss, zu welchem Zweck es jeweils eingesetzt werden soll. Das klingt wie eine banale Feststellung, ist es aber nicht, wie die Erfahrung zeigt. Hier soll ein integriertes Monitoringkonzept helfen, das technisches und soziales Monitoring integriert. Nach Ansicht der Autoren sind selbst die technischen Fragen noch nicht geklärt.

Im gleichen Zusammenhang beschreiben Anne Bergmans, Mark Elam, Peter Simmons und Göran Sundqvist die Entsorgung radioaktiver Abfälle als „soziotechnisches“ Problem. Sie betonen, wie hilfreich dieser Ansatz für die internationale Debatte sei. Das EU-Projekt „MoDeRn“ befasst sich mit Fragen der technischen Umsetzung und Stakeholder-Beteiligung. Mit einem empirischen Ansatz werden nationale Erfahrungen analysiert, um „lessons learned“ herauszufiltern. Ein solcher Ansatz kann sehr nützlich sein, um länderspezifische Herausforderungen zu identifizieren. In ihrem Beitrag konzentrieren sich die Autoren auf die Wahrnehmungen und Erwartungen verschiedener Stakeholder, wie sie bei Diskussionsrunden formuliert wurden, die in Belgien, Schweden und dem Vereinigten Königreich stattfanden. Unterschiedliche Stakeholder verbinden unterschiedliche Bedeutungen mit Monitoring und halten unterschiedliche Ansätze für sinnvoll. Die Autoren heben hervor, dass der allgemeine Ruf nach einer „Lösung innerhalb unserer Generation“ zu kurz greife.

Die deutsche Gesellschaft für Nuklear-Service und das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) berichten über ihre Erfahrungen in zwei besonderen Monitoring-Fällen: dem Monitoring von Abfallbehältern in Zwischenlagern sowie dem der bestehenden Gefahren für die Abfälle im Endlager Asse II infolge eines Grundwassereinbruchs und instabiler Geologie.

Anhand einer Auswertung nationaler und internationaler Richtlinien entwickeln Hannes Wimmer, Klaus-Jürgen Brammer und Michael Koebl eine strategische Perspektive auf das technische Monitoring. Als Dienstleistungseinrichtung für den Energiesektor sind sie für Abfälle in Zwischenlagern zuständig. Sie weisen darauf hin, dass den Möglichkeiten des Monitorings technische Grenzen gesetzt sind, die von der jeweiligen Phase der Errichtung und des Verschlusses eines Endlagers abhängen. Sie greifen die Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz von Endlagern auf und erläutern, welche Rolle Monitoring aus ihrer Sicht dabei spielen kann.

Die Erfahrungen mit der Schachtanlage Asse II werden von Urban Regenauer und Christiane Wittwer (BfS) beschrieben. Das ehemalige Forschungsbergwerk wurde der Verantwortung des BfS unterstellt, als bereits über einen längeren Zeitraum Wasser einzudringen begonnen hatte. In dieser besonderen Situation liegt ihr Schwerpunkt auf Strahlenschutz. Ein interessanter Aspekt dabei ist, dass ihre Aktivitäten in einen komplexen Prozess eingebunden sind, in dem die Beteiligung der Öffentlichkeit (Asse-II-Begleitgruppe etc.) ein zentrales Merkmal ist.

Dieser für Deutschland neue Ansatz zeigt, wie wichtig es ist, über institutionelle Strukturen nachzudenken, die eine Schnittstelle zwischen technischem und sozialem Monitoring bilden. Als in diesem Aspekt relativ modern bewerten Sophie Kuppler und Peter Hocke den Plan der Schweiz, Monitoring mithilfe eines Pilotendlagers zu testen. Dabei werden von den Autoren auch die Institutionen für Bürgerbeteiligung berücksichtigt, die bereits während des gegenwärtigen Standortauswahlverfahrens „Sachplan“ aufgebaut werden. Kuppler/Hocke weisen auf die Komplexität der Aufgabe hin und auf die damit verbundenen großen Herausforderungen im Hinblick auf die Prozesse der Interessenartikulation und -aggregation. Trotz dieser positiven Ansätze sei deutlich, dass die konkrete Planung der Monitoring-Aktivitäten, einschließlich der technischen Einrichtungs- und Betriebspläne, noch in Vorbereitung ist. Der institutionelle Rahmen zur Gewährleistung einer hochwertigen Umsetzung der Forderung nach Transparenz sei bisher noch nicht abgesteckt worden.

Im Unterschied zu den oben genannten Autoren gehen Detlef Appel und Jürgen Kreusch zunächst auf die Notwendigkeit der Rückholbarkeit ein. Unter diesem Gesichtspunkt erörtern sie die Herausforderungen eines (technischen) Monitorings, das Informationen darüber liefern soll, ob sich ein Endlager nach dem Verschließen so verhält wie erwartet. In Übereinstimmung mit anderen Autoren sehen sie den Hauptzweck des Monitorings darin, das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Endlagersystem zu gewinnen; sie warnen jedoch vor der Annahme, dass ein Monitoring allein diese Aufgabe erfüllen könne.

Wenn Monitoring ein Mittel zur Problemlösung ist, stellt sich die Frage: Wie lässt sich das Problem konzeptualisieren und welche Schlüsse lassen sich daraus für die Entsorgung radioaktiver Abfälle ziehen? Achim Brunnengräber, Lutz Mez, Rosaria Di Nucci und Miranda Schreurs schlagen vor, das Atommüllproblem als ein „wicked problem“ zu betrachten, was impliziert, dass eine Lösung nicht ohne Beteiligung der Öffentlichkeit gefunden werden kann. Ihrer Ansicht nach ist eine Multi-Level-Governance-Analyse von zentraler Bedeutung, um das Zusammenspiel der verschiedenen Akteure zu verstehen; sie warnen jedoch davor, die Machtverhältnisse zu unterschätzen. Eine weitere Herausforderung sehen sie darin, auch in „schweren Zeiten“ und über längere Zeiträume an transparenten Prozessen festzuhalten.

Mithilfe empirischer Fallanalysen können Herausforderungen für die Langzeit-Governance solcher Endlager erkannt werden. Catharina Landström und Jan-Willem Barbier befassen sich mit zentralen Bedingungen, die von (potenziellen) Standortgemeinden von Endlagern formuliert wurden. Zu diesen Bedingungen gehören durchgängige Transparenz, durchgängige Beobachtung und gezieltes Monitoring. Sie berichten über die Schwierigkeiten, diese Bedingungen einzuhalten, und stützen ihre Argumentation auf die Beobachtung des Geschehens in den „lokalen Partnerschaften“ in Belgien, die in den Prozess der Konstruktion und Umsetzung einer Entsorgungseinrichtung für schwach- und mittelaktive Abfälle involviert sind. Von besonderem Interesse sind aktuelle Ereignisse in der Anlage sowie Fragen bezüglich ihrer Schließung, die gegenwärtig diskutiert werden. Obwohl es sich bei den gelagerten Abfällen nicht um hochaktive Abfälle handelt, so die Autoren, sei die Zeitspanne zwischen Bau und Schließung der Entsorgungsanlagen vergleichbar und somit ein Transfer von „lessons learned“ möglich.

5     Ausblick

Es wäre naiv zu erwarten, dass eine Öffnung der Debatte über die Entsorgung radioaktiver Abfälle, die theoretisch durch ein Monitoring erreicht werden könnte, automatisch zu Akzeptanz führen würde. Dies gilt besonders in Fällen wie z. B. Deutschland, wo polarisierte Konflikte bereits seit über vier Jahrzehnten andauern. Diese haben zu einer tiefen Kluft zwischen zentralen Akteuren und der Industrie einerseits und Regierungsorganisationen andererseits geführt, die in ihrem Bemühen, gesellschaftliche Akzeptanz zu erzielen, eine Strategie des „Durchlavierens“ verfolgen (Hocke/Renn 2009).

Wie auch in der Klimapolitik brauchen Länder, die Atommüll besitzen, soziale Fantasie, um neue Institutionen entwickeln zu können, die in der Lage sind, Konflikte aufzugreifen, zu tolerieren und sich in einer zukunftsorientierten Weise mit ihnen auseinanderzusetzen. Solche Institutionen über Jahrzehnte am Leben zu erhalten, ist eine weitere Herausforderung. Dennoch sind strategische Planungen und Diskurse über künftige Entwicklungspfade (hier: die Zukunft der radioaktiven Abfälle) notwendige Aufgaben in modernen Gesellschaften (Grunwald 2012: v. a. S. 19–26 und S. 55–88). Ob sich Wissenschaftsexperten, Regierungsorganisationen und Zivilgesellschaft hinreichend dafür verantwortlich fühlen, Anstoß für eine transparente Umgestaltung des alten, konfliktreichen Prozesses zu geben, bleibt eine offene Frage. Vorausschauende Technikfolgenabschätzung und STS-Forschung haben diese Herausforderung im Blick und halten analytische Perspektiven und anwendungsorientiertes Wissen für notwendige strategische Entscheidungen bereit.

Anmerkungen

[1]  Zur Konzeptualisierung dieser Begriffe s. NEA 2012.

[2]  Brigitte Geissel verwendet den Begriff „partizipatorische Innovation“ für Innovationen in komplexen Governance-Systemen. Im gesellschaftlichen Diskurs über die Entsorgung radioaktiver Abfälle verstehen wir diesen konzeptionellen Rahmen als eine Form von sozialer Innovation, da die Gesellschaft heute zunehmend in Entscheidungsprozesse zur Entsorgung nuklearer Abfälle einbezogen wird (s. Geissel 2009).

[3]  Siehe die Reaktionen auf Studien wie z. B. von Streffer et al. (2011) zum Konzept „Gorleben plus“, das vorsieht, den Standort Gorleben weiter zu erkunden, um über seine Eignung als Endlager für hochaktive/wärmeentwickelnde Abfälle entscheiden zu können, und gleichzeitig mit der oberirdischen Erkundung alternativer Standorte zu beginnen. Solche Strategien mögen auf lange Sicht erfolgreich sein, auf die gegenwärtige gesellschaftliche Debatte über Atommüllpolitik haben sie jedoch keinen sehr großen Einfluss.

Literatur

Berkhout, F., 1991: Radioactive Waste: Politics and Technology. London

Crouch, C., 2011: Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus. Berlin

EC – European Commission, 2004: Thematic Network on the Role of Monitoring in a Phased Approach to Geological Disposal of Radioactive Waste. Project Report EUR 21025 EN. EC, Luxembourg; http://cordis.europa.eu/documents/documentlibrary/65723111EN6.pdf (download 16.1.13)

Geissel, B., 2009: How to Improve the Quality of Democracy? In: German Politics & Society 27 (2009), S. 51–71

Grande, E., 2012: Governance-Forschung in der Governance-Falle? – Eine kritische Bestandsaufnahme. In: Politische Vierteljahresschrift 53/4 (2012), S. 565–592

Grunwald, A., 2012: Technikzukünfte als Medium von Zukunftsdebatten und Technikgestaltung. Karlsruhe

Hocke, P.; Renn, O., 2009: Concerned Public and the Paralysis of Decision-Making: Nuclear Waste Management Policy in Germany. In: Journal of Risk Research 12/7–8 (2009), S. 921–940

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ICRP – International Commission on Radiological Protection, 2011: Radiological Protection in Geological Disposal of Long-Lived Solid Radioactive Waste: Draft Report For Consultation. ICRP ref 4838-8963-9177 1. July 21, 2011; http://www.icrp.org/docs/Radiological_protection_in_geological_disposal.pdf (download 16.1.13)

Mayer, S.; Bergmans, A.; Garcia-Siñeriz, J.L. et al., 2012: Monitoring Developments for safe Repository operation and staged Closure: The International MoDeRn Project – WM12 Conference Paper N°12040. Phoenix, Arizona; http://ebookbrowse.com/the-international-modern-project-wm12-mayeretal-12040-01-pdf-d420965915 (download 16.1.13)

MoDeRn – Monitoring Developments for Safe Repository Operation and Staged Closure, 2010: Technical requirements report. MoDeRn project report; http://www.modern-fp7.eu/fileadmin/modern/docs/Deliverables/MoDeRn_D2.1.1_Technical_Requirements_Report.pdf (download 16.1.13)

NAS – National Academy of Science, 1957: The Disposal of Radioactive Waste on Land. Publication 519 – National Academy Press. Washington D.C.

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NEA – Nuclear Energy Agency, 2012: Reversibility of Decisions and Retrievability of Radioactive Waste. Paris

Rifkin, J., 2011: Die dritte industrielle Revolution. Die Zukunft der Wirtschaft nach dem Atomzeitalter. Frankfurt a. M.

Rosa, E.A.; Tuler, S.P.; Fischhoff, B. et al., 2010: Nuclear Waste: Knowledge Waste? In: Science 329 (2010), S. 762–763

Streffer, C.; Gethmann, C.F.; Kamp, G. et al. (Hg.), 2011: Radioactive Waste. Berlin

Swyngedouw, E., 2005: Governance Innovation and the Citizen: The Janus Face of Governance-beyond-the-State. In: Urban Studies 42 (2005), S. 1991–2006

Kontakt

Dr. Peter Hocke
Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
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Tel.: +49 721 608-26893
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