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Einflüsse auf den Getreidestrohertrag als Voraussetzung der Bestimmung des nachhaltigen Strohpotenzials
Einflüsse auf den Getreidestrohertrag als Voraussetzung der Bestimmung des nachhaltigen Strohpotenzials
von Christian Weiser, Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft
Wie lassen sich die Nutzungskonkurrenzen um landwirtschaftliche Produktionsflächen entspannen? Ein Weg ist die Aktivierung von bisher ungenutzten landwirtschaftlichen Koppelprodukten und Reststoffen zur Bioenergiebereitstellung. Vor diesem Hintergrund wird die Abfuhr organischer Substanz von der Ackerfläche steigen. Die Stoffe, wie z. B. Stroh und Wirtschaftsdünger, sind maßgeblich für die Humusreproduktion und damit für den Erhalt der Fruchtbarkeit ackerbaulich genutzter Böden verantwortlich. Daher ist eine ausreichende humuswirksame Rückführung dieser Stoffe aus Sicht einer nachhaltigen Pflanzenproduktion notwendig. Bei ausgeglichen Humusbilanzen stehen im Durchschnitt jährlich 8 bis 13 Mio. t Getreidestroh in Deutschland zur Verfügung. Das Strohaufkommen unterliegt jedoch nicht nur jährlichen Schwankungen, sondern ist auch abhängig vom Standort und von der Bewirtschaftung. Vor allem durch eine Anpassung der Drusch- und Bergetechnik sind Steigerungen des Potenzials möglich. Damit dieses technische Potenzial jedoch ausgeschöpft werden kann, muss über den Anbau humusmehrender Fruchtarten der Verlust an organischer Substanz kompensiert werden.[1]
1 Einleitung
Die Nutzung von landwirtschaftlichen Nebenernteprodukten und Reststoffen ist eine vielversprechende Option zur Bereitstellung von Bioenergie. Bisher wird Stroh in Deutschland kaum außerhalb der Landwirtschaft genutzt. Im Gegensatz dazu wird in Dänemark jährlich ca. 1,5 Mio. t Stroh energetisch genutzt (Statbank 2013). Damit verbleiben in etwa zwei Drittel des Strohs im landwirtschaftlichen Stoffkreislauf als Futter, Einstreu und organische Düngung. Die Stoffe, wie z. B. Stroh und Wirtschaftsdünger, sind maßgeblich für die Humusreproduktion und damit für den Erhalt der Fruchtbarkeit ackerbaulich genutzter Böden verantwortlich. Daher ist eine ausreichende humuswirksame Rückführung dieser Stoffe aus Sicht einer nachhaltigen Pflanzenproduktion zu gewährleisten.
In Deutschland können Humusbilanzen zur Bestimmung der notwendigen Menge an organischer Substanz herangezogen werden. Nach Berechnungen von Weiser et al. (2014) stehen jährlich 27 bis 44 Prozent des jährlich anfallenden 30 Mio. t Getreidestrohs für die Strom- oder Kraftstoffbereitstellung bei ausgeglichenen Humusbilanzen in Deutschland zur Verfügung. Mit diesem Potenzial könnte man zum Beispiel 1,7 bis 2,8 Mio. Durchschnittshaushalte mit Strom und gleichzeitig 2,8 bis 4,5 Mio. Haushalte mit Wärme versorgen (Weiser et al. 2014).
Trotz der bisher erfolgten umfangreichen Untersuchungen bestehen jedoch weiterhin Unsicherheiten, da in der Agrarstatistik die Stroherträge nicht erfasst werden. Die anfallende Menge an Stroh wird über den Kornertrag und den fruchtartenspezifischen Ernteindex bestimmt. Der Ernteindex ist das Verhältnis von Kornertrag zur gesamten oberirdischen Biomasse. Diese Richtwerte sind abhängig von der Sorte, vom Standort (Boden und Witterung) und von der Bewirtschaftung. Damit schwanken auch die Ergebnisse der Berechnungen des zur Humusreproduktion bzw. zur energetischen Verwertung zur Verfügung stehenden Strohs erheblich.
2 Entwicklung des Ernteindex
Die Produktion und die Verteilung der Trockenmasse sind entscheidende innerpflanzliche Vorgänge für die Produktionsleistung landwirtschaftlicher Kulturarten. Der Ernteindex ist über die Zeit stetig gewachsen, da die Fruchtarten u. a. auf einen hohen Haupternteproduktertrag gezüchtet wurden. So zeigen zehnjährige Sortenversuche vom Anfang des 20. Jahrhunderts Korn- und Stroherträge von 40 dt/ha Korn und 81 dt/ha Stroh für Winterweizen einen Ernteindex von 0,33 (Richardsen/Hofmann 1915). Heute werden in der Praxis Durchschnittserträge von 75 dt/ha Korn und 60 dt/ha Stroh bei Winterweizen und Ernteindizes von 0,56 erzielt. Diese Daten zeigen, dass die Erhöhung des Kornanteils und des Ernteindexes bei nahezu gleichbleibender oberirdischer Gesamtbiomasse stattgefunden hat. Düngungsversuche in Streulage der ehemaligen DDR von 1950 bis 1990 zeigen einen jährlichen Anstieg des Ernteindexes von Winterweizen um 0,4 Prozent.
3 Einfluss der Bewirtschaftung und des Standorts auf den Strohertrag
Im Erntejahr 2012 und 2013 konnten an den Standorten Neukirchen-Vluyn (Nkv), Gadegast (Gad), Dornburg-Camburg (Dbg) und in Burkersdorf (Bur) in Landessortenversuchen Korn- und Stroherträge von aktuellen Getreidesorten erhoben werden. Beispielhaft zeigt Abbildung 1, dass bei steigender Intensität der Bewirtschaftung, d. h. durch Einsatz von Fungiziden und Wachstumsreglern, tendenziell ein höherer Ernteindex erwartet werden kann.
Abb. 1: Ernteindizes (HI) der Winterweizensorte Asano an den Standorten Burkersdorf (Bur), Dornburg (Dbg), Gadegast (Gad) und Neukirchen-Vluyn (Nkv) in den Behandlungsstufen I (wenig Wachstumsregler) und II (viel Wachstumsregler + Fungizidbehandlung)
Quelle: Eigene Darstellung
Ein weiterer Versuch in Haufeld/Thüringen zeigt den Einfluss von Standort und Stickstoffdüngung auf den Ernteindex. Auf einem tiefgründigen (d1) und einem wenige Meter entfernten flachgründigen (d2) Standort (vgl. Tab. 1) wurden acht Düngestufen (I-VIII) (vgl. Tab. 2) getestet. Alle weiteren Faktoren blieben konstant. Geprüft wurde im Jahr 2012 und 2013 die Winterweizensorte Julius. Bei einem reduzierten Einsatz von Wachstumsreglern und Fungiziden ist im Verhältnis zur gesamten Biomasse mehr Strohertrag zu erwarten.
Tab 1: Bodencharakteristika der Standorte in Haufeld
Tiefgründiger Standort d1 | Flachgründiger Standort d2 | |
---|---|---|
Bodentyp | Pseudogley-Braunerde aus Löß über Muschelkalkverwitterung | Kalkmergel-Rendzina aus Muschelkalkverwitterungsmaterial |
Ackerzahl [-] | 65 | 38 |
nutzbare Feldkapazität [mm] | 81 | 51 |
Quelle: Hess et al. 2013
Tab. 2: Düngemengen und Düngezeitpunkte in Haufeld
Prüfglied | N-Düngung | 1. N-Gabe | 2. N-Gabe | 3. N-Gabe | N gesamt |
---|---|---|---|---|---|
ohne N | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
II | wenig | 30 | 30 | 50 | 110 |
III | mittel | 50 | 50 | 50 | 150 |
IV | viel | 70 | 70 | 80 | 220 |
V | wenig Andüngung | 50 | 90 | 80 | 220 |
VI | hohe Andüngung | 90 | 50 | 80 | 220 |
VII | mittel + 3. hoch | 50 | 50 | 80 | 180 |
VIII | mittel + 3. wenig | 50 | 50 | 30 | 130 |
Quelle: Hess et al. 2013
Die Abbildung 2 zeigt, dass in der nicht gedüngten Variante die Ernteindizes unabhängig von der Bodenqualität in etwa gleich groß sind. In den weiteren Behandlungen sind die Ernteindizes auf dem tiefgründigen Boden tendenziell höher. Vor allem in den intensiv gedüngten Varianten mit 220 kg N/ha treten die Unterschiede zwischen den Ernteindizes an den beiden Standorten am deutlichsten hervor.
Abb. 2: Korn- und Stroherträge und Ernteindizes (HI) der Ganzpflanzenernte des jährlichen N-Versuches in Haufeld, dargestellt nach verschiedenen Prüfgliedern (I-VIII) auf dem tiefgründigen (d1) und flachgründigen (d2) Standort
Quelle: Eigene Darstellung nach Hess et al. 2013
4 Einfluss der Stoppelhöhe auf den Strohertrag
Neben der Bewirtschaftung und den Standortgegebenheiten hat die Strohbergung einen entscheidenden Einfluss auf die Menge an Stroh, welche als rein technisches Potenzial zur Verfügung steht. Zur Untersuchung des Einflusses der Stoppel auf den Strohertrag wurden in den Jahren 2012 und 2013 in 40 Versuchen an 14 Standorten in den 1.331 Anlage- bzw. Behandlungsparzellen auf einer Länge von einem Meter Getreidepflanzen entnommen und in die verschiedenen Ertragsanteile Korn, Spreu und Stroh getrennt. Dazu wurden auch die untersten 20 cm der Halme in 5 cm-Abschnitten einzeln in ihrer Masse bestimmt. Auf diese Weise wurden die Auswirkungen verschiedener Stoppelhöhen bei der Ernte simuliert.
Tabelle 3 zeigt, dass der Anteil des in der Stoppel verbleibenden Gesamtstrohertrages v. a. zwischen den einzelnen Fruchtarten schwankt. Bei Wintergerste, einer Fruchtart mit einem hohen Ernteindex, bleiben bei in der Praxis üblichen Stoppelhöhen von 15-20 cm, 24-30 Prozent des aufgewachsenen Strohs auf dem Feld.
Tab. 3: Anteil der Stoppellänge am Gesamtstrohertrag absolut mit Standardabweichung und Anteil an der Gesamtstrohtrockenmasse in Klammern aus Dünge- und Energiepflanzenversuchen 2012 und 2013
Fruchtart | Ernteindex | Korn | Stroh | Stoppel 5 [cm] | Stoppel 10 [cm] | Stoppel 15 [cm] | Stoppel 20[cm] |
---|---|---|---|---|---|---|---|
[-] | Trockenmasse und Standardabweichung in [g/m] Anteil am Gesamtstrohertrag [%] |
||||||
SoGe (n=48) | 0,539 ± 0,017 | 66,6 ±11,3 | 57 ±10,4 | 5,6 ±0,9 (10) | 11,8 ±1,7 (20,8) | 17,4 ±2,3 (30,9) | 22,7 ±3 (40,2) |
WiGe (n=176) | 0,495 ± 0,081 | 91,8 ±28,9 | 98 ±43 | 7,9 ± 3,2 (8,9) | 14,8 ±5,9 (16,5) | 21,4 ±8,5 (23,7) | 27,6 ±10,9 (30,5) |
WiRo (n=52) | 0,476 ± 0,048 | 137,8 ±28,3 | 154,5 ±43,8 | 8,2 ±2,7 (5,4) | 15,8 ±4,8 (10,4) | 23,6 ±7,1 (15,5) | 31,2 ±9,1 (20,5) |
WiTr (n=84) | 0,545 ± 0,044 | 93,6 ±21,7 | 77,7 ±18,6 | 6,6 ±1,4 (8,5) | 12,8 ±2,6 (16,6) | 18,9 ±3,7 (24,6) | 24,8 ±4,8 (32,3) |
WiWe (n=971) | 0,483 ± 0,044 | 108,3 ±30,1 | 116 ±32,5 | 8,6 ± 2,5 (7,6) | 16,6 ±4,5 (14,6) | 24,5 ±6,5 (21,6) | 32,3 ±8,4 (28,4) |
Quelle: Eigene Darstellung
5 Technische Bergbarkeit von Getreidestroh
Neben der Stoppelhöhe beeinflussen der Mähdreschertyp und der Wassergehalt des Strohs maßgeblich die Menge an Stroh, welche nicht geborgen werden kann. In einem Vorversuch während der Ernte 2013 wurde auf zwei Schlägen bei Jena (50° 58’ 30” n. B. und 11° 38’ 15” ö. L.) das bergbare Stroh erfasst. Angebaut wurde die Winterroggensorte Palazzo. Es wurde kein Wachstumsregler eingesetzt und nach Entzug Stickstoff gedüngt. Die Kornernte fand am 1. und 2. August 2013 statt. Das Stroh wurde auch im Vorgewende auf Schwad gelegt, wobei der Schwadabstand 6 Meter betrug. Das Pressen und Wiegen des Strohs konnte am 12. August 2013 realisiert werden. Zum Pressen kam eine Quaderballenpresse der Firma Krone zum Einsatz. Die Ballen hatten die Maße 120 x 70 x 200 Meter. Das Stroh war umgehend zum Zweck der energetischen Verwertung an das Heizwerk in Jena transportiert worden. Hier wurden je zwei Ballen mit der Waage gewogen und stichprobenartig der Trockensubstanzgehalt bestimmt. Durchweg konnten 92 Prozent der insgesamt gepressten und abtransportierten Ballen gewogen werden.
Die Ergebnisse in Tabelle 4 zeigen, dass in diesem Vorversuch weniger als zwei Drittel der theoretisch aufgewachsenen Strohmenge geborgen werden konnten.
Tab. 4: Kennzahlen zur Untersuchung der Strohbergung auf zwei Praxisschlägen bei Jena
Nr. | Schlag [ha] | Kornertrag [dt TM /ha] | Theoretisches Strohpotenzial [dt TM /ha] | Stroh abgefahren [Ballenanzahl] | Stroh abgefahren [dt TM/ha] | Stoppelhöhe (n=300) [cm] | bergbares Stroh [%] |
---|---|---|---|---|---|---|---|
1 | 4,7 | 68,5 | 61,7 | 95 | 37,8 | 19 ± 8 | 61 |
2 | 7,74 | 71,3 | 64,2 | 155 | 37,4 | 16 ± 5 | 58 |
Quelle: Eigene Darstellung
6 Schlussfolgerungen
Die in aktuellen Versuchen beobachteten Ernteindizes von Getreidefruchtarten unterscheiden sich signifikant von denen in der Literatur. Daher sind bisherige Potenzialberechnungen auf Basis von deutschlandweit einheitlichen Ernteindizes in einzelnen Regionen mit Unsicherheiten behaftet. Vor allem auf regionaler Ebene können unterschiedlich gute Standorte den Strohanteil an der Gesamtbiomasse erheblich beeinflussen. Zur Ermittlung der aus dem Kreislauf entnehmbaren Strohmenge sind bei konkreten Projekten schlagbezogene Humusbilanzen mit regionalen Ernteindizes zu erstellen. Der Landwirt hat die Möglichkeit, bei der Sortenwahl und der Intensität der Bewirtschaftung einen Einfluss auf den Ernteindex und damit auf den Strohertrag zu nehmen.
Weitaus wirksamer ist es jedoch, Drusch- bzw. Bergeprinzipien zu favorisieren, die es ermöglichen, einen möglichst großen Anteil des aufgewachsenen Strohs zu erfassen. Bisher können in der Praxis nur rund zwei Drittel der aufgewachsenen Strohmenge geborgen werden. Um eine gute Einarbeitung und Umsetzung des Strohs zu gewährleisten, wurden bisher Druschprinzipien favorisiert, die das Stroh stark zerkleinert haben. Damit dieses technische Potenzial jedoch ausgeschöpft werden kann, muss über den Anbau humusmehrender Fruchtarten, z. B. mehrjähriges Ackerfutter oder Zwischenfrüchte, der Verlust an organischer Substanz kompensiert werden. Die zusätzlichen Kosten müssen durch den Strohverkaufspreis gedeckt werden.
Anmerkung
[1] Die Untersuchungen erfolgten im Rahmen des Projektes „Erfassung und Bewertung der Einflüsse auf den Strohertrag als wesentliche Größe für den aus dem landwirtschaftlichen Stoffkreislauf zur energetischen Verwertung entnehmbaren Kohlenstoff“ (Förderkennzeichen: 22402311).
Danksagung
Der Autor bedankt sich bei der Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe für die finanzielle Förderung. Für die Unterstützung bei der Datenbereitstellung gilt der herzliche Dank: Versuchsstation Gadegast (LLFG), Versuchsstation Neukirchen-Vluyn (LWK NRW), Versuchsstation Burkersdorf (LWA Zeulenroda), Herrn Hubert Hess (TLL) und der Versuchsstation Dornburg (TLL).
Literatur
Hess, H.; Zorn, W; Gullich, P. et al., 2013: Standort- und qualitätsbezogene Stickstoffdüngung zu Winterweizen. Ergebnisse aktueller Feldversuche; http://www.tll.de/ainfo/pdf/dunps/dp051112.pdf (download 30.5.14)
Richardsen, A.; Hofmann, H., 1915: Zehn Jahre Sortenversuche in der akademischen Gutswirtschaft Dikopshof. Berlin
Statbank (Statistics Denmark), 2013: Straw Yield and Use in Denmark; http://www.statbank.dk/HALM1 (download 4.9.13)
Weiser, C.; Zeller, V.; Reinicke, F. et al., 2014: Integrated Assessment of Sustainable Cereal Straw Potential and Different Straw-based Energy Applications in Germany. In: Applied Energy, 114 (2014), S. 749–762
Kontakt
Christian Weiser
Referat Acker- und Pflanzenbau
Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft
Naumburger Straße 98, 07743 Jena
Tel.: +49 3641 683-122
E-Mail: christian.weiser∂tll.thueringen.de