G. Ropohl (Hrsg.): Erträge der Interdisziplinären Technikforschung. Eine Bilanz nach 20 Jahren sowie H. Krebs, U. Gehrlein, J. Pfeiffer, J.C. Schmidt (Hrsg.): Perspektiven interdisziplinärer Technikforschung. Konzepte, Analysen, Erfahrungen

Rezensionen

Rezension

Günter Ropohl (Hrsg.): Erträge der Interdisziplinären Technikforschung. Eine Bilanz nach 20 Jahren. Erich Schmidt Verlag, Berlin 2001, 247 Seiten; ISBN 3-503-06008-1
Heike Krebs, Ulrich Gehrlein, Judith Pfeiffer, Jan C. Schmidt (Hrsg.): Perspektiven Interdisziplinärer Technikforschung. Konzepte, Analysen, Erfahrungen. Agenda-Verlag, Münster 2002, 383 Seiten; ISBN 3-89688-136-1

Rezension von Gerhard Banse, ITAS

Wenn man kurz hintereinander zwei vom Titel her sehr ähnliche Sammelbände zum Lesen bzw. zur Rezension erhält, liegt es nahe, sie vergleichend zu betrachten, vor allem, wenn man nur wenig Platz zur Darstellung hat. Dann verbietet es sich allerdings, auf jeden einzelnen Beitrag - so interessant er auch sein mag - einzugehen oder zumindest hinzuweisen. Im Vordergrund müssen dann übergreifende Gesichtspunkte stehen, vor allem hinsichtlich des Konzeptionellen; so auch im Folgenden.

Aber nicht nur die Titel der beiden Bücher verweisen auf thematische Ähnlichkeiten, sondern auch die Orte, an denen die jeweiligen Herausgeber "institutionell tätig" sind: Frankfurt am Main (Johann Wolfgang von Goethe-Universität) und Darmstadt (Technische Universität), beide im Bundesland Hessen gelegen. In Hessen gibt es nämlich eine gemeinsame Forschungstradition entsprechender Forschungsgruppen, die einen Verbund gebildet haben. Und: "1993 übernahm das ZIT [Zentrum für Interdisziplinäre Technikforschung an der TU Darmstadt - G.B.] die Geschäftsführung für den Verbund von Technikforschungsgruppen an hessischen Hochschulen. Ziel dieses Verbundes war es, qualifizierte interdisziplinäre Forschung über Technik an den Universitäten zu fördern und in die Lehre zu überführen. Es sollte eine Orientierung für Technikforscher geboten werden, indem das Wissen um die wissenschaftlichen Interessen, Ziele und Aktivitäten der Arbeitsgruppen hessischer Technikforscher gebündelt, gefördert und kooperative Projekte in Gang gesetzt werden". (Krebs et al., S. 45) Wenn das kein Grund für eine "Geistesverwandtschaft" ist. Allerdings: In der zeitlich später erschienenen Publikation von Krebs et al. wird zwar auf die Publikation von Ropohl (bzw. auf die "Vorgängerpublikation" von 1981 "Interdisziplinäre Technikforschung") verwiesen (Krebs et al., S. 25, 38), jedoch nicht so sehr in konzeptioneller, sondern mehr in historischer Hinsicht: "Die Etablierung des Begriffs und wesentliche inhaltliche Konturierungen der ‚Interdisziplinären Technikforschung' sind G. Ropohl zu verdanken, freilich in Kooperation mit der ‚Interdisziplinären Arbeitsgruppe Technikforschung' (IATF) der Universität Frankfurt und dem Zusammenschluss sozialwissenschaftlicher Technikforscher im Bundesland Hessen (Ropohl, 1981)." (Krebs et al., S. 25)

Nachfolgend werden kurz die Anlässe bzw. Anliegen der Herausgabe beider Bücher genannt, sodann einige - über die bereits in der Überschrift dieses Beitrages enthaltenen hinausgehenden - "Formalia" hervorgehoben und schließlich der Ausgangspunkt und das Konzept, das der jeweiligen Edition zugrunde liegt, charakterisiert. Daran schließen sich dann Wertungen und ein kurzes Fazit an.

Ursächliches

Im Vorwort des Herausgebers der "Erträge der Interdisziplinären Technikforschung" liest man: "Vor zwanzig Jahren habe ich den Sammelband ‚Interdisziplinäre Technikforschung" herausgegeben und mit diesem Titel ein Programm auf den Begriff gebracht, das seither an zahlreichen Stellen aufgenommen und entfaltet wurde. ... Manches davon ist freilich inzwischen einer unheiligen Allianz aus disziplinärem Unverständnis und wissenschaftspolitischer Verantwortungslosigkeit zum Opfer gefallen ... Umso dringlicher scheint es mir, die Interdisziplinäre Technikforschung wenigstens publizistisch am Leben zu erhalten. Darum soll dieses Buch dokumentieren, wie sich die Technikforschung in den letzten zwanzig Jahren weiter entwickelt hat." (S. 5) Anliegen ist somit sowohl ein "Statusreport" als auch ein "Fortschrittsbericht". Um das zu erreichen, so Ropohl weiter, "habe ich die selben Autoren wieder eingeladen, die auch seinerzeit dabei gewesen waren. Neue Namen finden sich bei den Kapiteln, für die der frühere Kollege nicht mehr zur Verfügung stand oder für die sich inzwischen ein anderer Kollege deutlicher profiliert hat." (S. 5) Wer allerdings "alter" und wer "neuer" Autor ist, erfährt man weder im Vorwort noch im "Rest" des Buches: man muss es mit dem "Vorgänger-Buch" aus dem Jahre 1981 vergleichen.

Im Geleitwort des Präsidenten der TU Darmstadt, Professor Dr.-Ing. J.-D. Wörner, wird das Anliegen der "Perspektiven Interdisziplinärer Technikforschung" mit folgenden Worten charakterisiert: "Mit diesem anlässlich des 15-jährigen Bestehens des ZIT und des 60. Geburtstages seines Geschäftsführers, Herrn Dr. Gerhard Stärk, entstandenen Buch ... ist zum einen ein wissenschaftlicher Beitrag entstanden, in dem die Begriffe der Interdisziplinarität und der Technikforschung sowie deren Bedeutung für verschiedene Forschungsfelder aufgezeigt und diskutiert werden. Zweitens stellt dieses Buch einen Abriss interdisziplinärer Forschung an der TU Darmstadt dar und vor dem Hintergrund gesammelter Erfahrungen werden Perspektiven für zukünftige Forschungsfelder entwickelt." (S. 11) Angestrebt ist somit in erster Linie nicht die Umsetzung einer stringenten inhaltlichen Konzeption, sondern vor allem der Nachweis der Ergebnisse, der Leistungsfähigkeit und der Zukunftsträchtigkeit ("Perspektiven der ...") einer Institution (die selbstverständlich mit einem Konzept verbunden ist - vgl. S. 41-51) in Form einer Jubiläumsschrift.

Bereits dieser kurze Blick auf Anlass und Anliegen der beiden Publikationen verdeutlicht, dass es sich trotz Ähnlichkeit im Titel um konzeptionell wie inhaltlich differierende Bücher handelt.

Formales

Für die "Erträge der Interdisziplinären Technikforschung" haben 17 Autoren 14 Beiträge verfasst, wobei dem ersten Beitrag (Günter Ropohl: Das neue Technikverständnis; S. 11-30) durchaus der Charakter einer Einleitung zukommt, da in ihm (auch) der konzeptionelle Rahmen deutlich gemacht und unter der Überschrift "Themen der Technikforschung" eine Ein- bzw. Zuordnung der weiteren Beiträge vorgenommen wird. Grundlage für die Anordnung der Beiträge sind die von Ropohl skizzierten fünfzehn Erkenntnisperspektiven der Technik, die von ihm in die drei Gruppen "naturale", "humane" und "soziale Dimension" zusammengefasst werden.

Für die "Perspektiven Interdisziplinärer Technikforschung" haben 28 Autoren 27 Beiträge verfasst, die - neben dem Einleitungskapitel (2 Beiträge [1] ) - in vier thematischen Kapiteln angeordnet sind: "Interdisziplinarität" (4 Beiträge), "Technik" (7 Beiträge), "Wissen" (6 Beiträge) und "Institution und Raum" (8 Beiträge).

Zum Formalen sei auch angemerkt, dass dem Buch von Ropohl durchgängig einheitliche Gestaltungsprinzipien zugrunde liegen, während im Buch von Krebs et al. zumindest für die Literaturangaben und -verweise unterschiedliche Modi zugelassen sind. Das mag manchen nicht stören (manch einer vielleicht nicht einmal bemerken), aber für den Rezensenten wird damit der Charakter eines Sammelbandes verstärkt.

Konzeptionelles

Äpfel und Birnen kann man schlecht miteinander vergleichen, zwei sowohl von Anlass und Anliegen als auch vom "Formalen" her unterschiedliche Bücher wohl auch nicht. Da aber beide der Interdisziplinären Technikforschung gewidmet sind, lässt sich zumindest dieser Bezugspunkt zum Gegenstand eines Vergleichs machen. Deshalb soll nachfolgend vor allem auf den Ausgangspunkt der Überlegungen als auch auf das Grundkonzept eingegangen werden, indem die Autoren der Einleitungsbeiträge weitgehend selbst zu Wort kommen.

"Erträge der Interdisziplinären Technikforschung"

Ausgangspunkt für Ropohl sind das Technikverständnis und sein Wandel: Erstens betrachtet man die Technik inzwischen als untrennbaren Bestandteil von Gesellschaft und Kultur. Zweitens haben die meisten Menschen begriffen, dass die Technik neben ihren unbestreitbaren Vorzügen auch problematische Folgen mit sich bringt. Drittens schließlich hat man gelernt, dass die Technisierung keineswegs einer schicksalhaften Eigengesetzlichkeit folgt, sondern von den Menschen und ihren Organisationen nach Plänen und Zielen betrieben wird, die man unter Umständen beeinflussen kann. (vgl. S. 11) Damit einher ging die Frage, "ob man Alles, was man technisch und wirtschaftlich machen kann, auch wirklich machen soll" (S. 14). Auf diese Frage versuchen seit Beginn der siebziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts insbesondere die Technikethik und die Technikbewertung eine Antwort zu geben, womit eine "normative Wende" markiert sei. Die Einsicht in die Steuerungs- oder besser: Gestaltungsfähigkeit technischer Entwicklung(en) bedingt sicherlich den Wunsch, die Möglichkeit zur Wirklichkeit werden zu lassen. Aus diesem technikpolitischen Ziel, "Einfluss auf die Bedingungen und Folgen der Technisierung zu nehmen, folgen theoretische und empirische Untersuchungsaufgaben, die wissenschaftlicher Untersuchung bedürfen. ... In der technopolitischen Praxis ist also ein Erkenntnisbedarf entstanden, der von der wissenschaftlichen Forschung bislang kaum gedeckt werden kann." (S. 15)

Diese Situation habe sich in den letzten zwanzig Jahren kaum gewandelt. Grundlegend für die Orientierung der Forschung sei ein angemessenes Technikverständnis (von Ropohl "mittelweiter" Technikbegriff genannt), das sowohl die technischen Sachsysteme als auch deren Herstellungs- und Verwendungszusammenhänge berücksichtigt. So verstanden hat Technik nicht nur eine natural-technische, sondern auch eine humane und eine soziale Dimension. Bereits in seiner Habilitationsschrift [2] hat Ropohl vor diesem Hintergrund für analytische Zwecke "eine inhaltliche Gliederung technischer Phänomene und Probleme entworfen, die an der traditionellen Systematik der Wissenschaften orientiert ist." (S. 18) Im Einzelnen sind das folgende Erkenntnisperspektiven: technikwissenschaftliche, physikalische, chemische, biologische, ökologische (= naturale Dimension); physiologische, psychologische, anthropologische, ethische, ästhetische (= humane Dimension); juristische, historische, ökonomische, soziologische, politologische (= soziale Dimension). Damit ist zugleich das Programm gekennzeichnet, das mit dem Buch verfolgt wird: "Wenn auch keine vollständige Kongruenz erreicht werden konnte, spiegelt das ... doch im Grossen und Ganzen das Gliederungsprinzip wider, dem dieses Buch folgt." (S. 18) Kritische Einwände gegen diese Gliederung sind bekannt und werden von Ropohl auch benannt, deshalb brauchen sie hier nicht wiederholt zu werden. Deutlich wird jedoch, dass das "Nahziel" des Buches zunächst eine multidiszplinäre Technikbetrachtung und keine interdisziplinäre Technikforschung ist. [3] Dieses Dilemmas ist sich Ropohl bewusst, wenn er hervorhebt: "Wenn auch die Gliederung vordergründig der herkömmlichen Fächereinteilung folgt, wenn auch die Autoren ihre disziplinären Wurzeln nicht verleugnen, so ist doch mit diesem Buch mehr entstanden als ein rein additives Bündel unterschiedlicher Techniksichten. Da alle Autoren in der einen oder anderen Weise vom interdisziplinären Paradigma geprägt sind, ist eine Wissenssynthese entstanden, die sich deutlich von der Sektoralisierung, Fragmentierung und Atomisierung der sogenannten ‚normalen Wissenschaft' ... abhebt." (S. 26) Allerdings erst im "Ansatz", wie Ropohl selbst betont (S. 26), sozusagen "in statu nascendi"! Dieses disziplinär gewonnene - wenn auch vom "interdisziplinären Paradigma" geprägte - Wissen wäre sodann zu einem interdisziplinären Wissen zu synthetisieren bzw. zu integrieren, und zwar im Sinne des "Paradigmas der Interdisziplinwissenschaften". Indem Ropohl abschließend die Merkmale des Forschungsprogramms einer wissenschaftlichen Disziplin (Definition der Probleme; Sprache und Begrifflichkeit; Denkmodelle; Methoden; Qualitätskriterien) für interdisziplinäre Wissenssynthesen (im Sinne dieser "Interdisziplinwissenschaften") diskutiert, kommt er für die interdisziplinäre Technikforschung zu folgendem Ergebnis: "Interdisziplinäre Forschung erfordert besondere Kompetenzen der Sprach- und Begriffsreflexion, der Methodenreflexion, des radikalen Fragens und der kritischen Selbstreflexion. Solche Kompetenzen werden seit alters in der Philosophie kultiviert, und so kann man den theoretischen Ort der interdisziplinären Integration ... auch als eine Synthetische Philosophie auffassen. Tatsächlich ist es, im Falle der Interdisziplinären Technikforschung und der Allgemeinen Technologie, gerade die moderne Technikphilosophie ..., die sich der Integration und Generalisierung technikbezogenen Wissens angenommen hat." (S. 29) Interdisziplinäre Technikforschung schließt so zwei Ebenen ein: multidisziplinäre Wissensgenerierung und technikphilosophische Wissensintegration.

"Perspektiven Interdisziplinärer Technikforschung"

Schmidt und Gehrlein konstatieren einführend: "Mit der Interdisziplinären Technikforschung und der eng verwandten Technikfolgenabschätzung ist in den letzten 40 Jahren ein neuer und historisch einmaliger Bereich des wissenschaftlichen Erkenntnishandelns entstanden. ... In Interdisziplinärer Technikforschung spiegeln sich heute, wie in kaum einem anderen Forschungsfeld, gesellschaftliche Problemlagen, politische Anforderungen und ethisch-normative Entscheidungsnotwendigkeiten wider." [4] (S. 15) Interdisziplinäre Technikforschung scheint notwendig geworden zu sein, "weil uns eine kulturprägende Selbstverständlichkeit zur Legitimation von technologischen Entwicklungen abhanden gekommen ist, nämlich dass wissenschaftlich-technischer Fortschritt auch humaner Fortschritt ist." (S. 15)

Analog dem Vorgehen von Ropohl wird von beiden Autoren vorausgesetzt, dass es keinen technologischen Determinismus gibt, dass technische Entwicklungen keine sich selbst legitimierenden "Selbstläufer" sind, sondern moderierbar, gestaltbar und steuerbar: "Technikgestaltung setzt Ziele, Werte, Normen im Kontext des Gesellschaftlichen voraus." (S. 17) "Die ... Frage jedoch, wie weit Technik und Technikgenese einerseits und Werte und Normen andererseits verwoben sind und an welchen Punkten Werte Eingang finden in technische Entwicklungslinien, ist bis heute alles andere als geklärt und bleibt Anlass zu vielfältigen Kontroversen." (S. 22) In diesem Umfeld setzt Interdisziplinäre Technikforschung ein. Sie wird von Schmidt und Gehrlein im Zusammenhang mit konzeptionellen Entwicklungen der letzten drei Dezennien begründet bzw. hergeleitet: mit der "reflexiv-normativen Wende im Technikverständnis" (S. 16ff.) und mit einer "partizipativ-integrativen Wende" (S. 25ff.). Die reflexiv-normative Wende besteht - Ropohl zitierend [5] - darin, "dass theoretische Reflexionen über die Technik mehr und mehr über die traditionellen Ingenieurwissenschaften hinausgreifen und nicht nur in den Gesellschafts- und Sozialwissenschaften, sondern auch in öffentlich-politischen Diskussionen ihren festen Platz gefunden haben." (S. 22) Allerdings habe diese reflexiv-normative Wende - so die Autoren - weder zu theoretisch befriedigenden Konzepten noch zu hinreichend umsetzbaren Instrumenten der Technikgestaltung geführt. Infolge dieser Situation kam es zu einer partizipativ-integrativen Wende. War im Gefolge der reflexiv-normativen Wende die Technikfolgenabschätzung entstanden, so erschien nunmehr "der erweiterte und integrierende Focus einer interdisziplinären Forschung über soziotechnische Systeme und Technisierungsprozesse, eine interdisziplinäre Technikforschung" unabdingbar, denn: "Interdisziplinäre Technikforschung ist umfassender, prozeduraler, partizipativer, interdisziplinärer und leitbildorientierter als die herkömmliche Erforschung des Technischen, insbesondere als die bisherige Technikfolgenabschätzung." (S. 25) Daran schließen sich zwei m. E. fast definitorische Bestimmungen der Interdisziplinären Technikforschung an, die die Breite der unterstellten Konzeption verdeutlichen:

Der Gedanke des Leitbildes im Allgemeinen, der des Leitbildes Nachhaltige Entwicklung im Besonderen wird dann abschließend für die Interdisziplinäre Technikforschung fruchtbar gemacht, allerdings wird eingeschränkt: "Mit dem Stichwort ‚Leitbild' sind Werte, Normen, Metaphern, Bilder und Visionen angesprochen, welche in der Interdisziplinären Technikforschung eine herausragende, bis jetzt noch nicht abschließend geklärte Rolle spielen". (S. 29) Dennoch wird als Leitthese aller Autoren des Buches konstatiert, "dass die zukünftigen Perspektiven der Interdisziplinären Technikforschung in der Technik- und Wissenschaftsgestaltung im Horizont von Nachhaltigkeit und Ethik liegen." (S. 33)

Wertendes

Generell sei betont, dass der Rezensent die 41 Beiträge beider Bücher mit Interesse und Gewinn gelesen hat, manches war ihm bekannt, manches kam ihm bekannt vor, und manches war ihm neu. Nicht so klar allerdings fällt die Antwort auf die Frage aus, wie es denn um das Konzept, die Erträge und die Perspektiven einer Interdisziplinären Technikforschung (worauf ja mit beiden Buchtiteln Anspruch erhoben wird!) bestellt ist. Mein Standpunkt dazu ist weiter unten unter "Abschließendes" formuliert. Zuvor seien jedoch zu jedem Buch einige kritische Einwände genannt.

Die "Erträge der Interdisziplinären Technikforschung" geben einen guten Einblick in disziplinäre Überlegungen, die sich auf Technik und technische Entwicklung beziehen (was allerdings durch die Überschriften der einzelnen Beiträge nicht konsequent zum Ausdruck gebracht wird). Die Synthese ist m. E. aber nicht so offensichtlich, wie der Herausgeber glauben machen will, das Integrale ergibt sich m. E. nicht automatisch als Nebeneffekt beim Lesen des Disziplinären. Kommentierte "Denkhilfen" wären durchaus angebracht - und möglich - gewesen.

Hinsichtlich der "Erträge", der "Fortschritte" der vergangenen zwei Dezennien bleibt der interessierte Rezensent weitgehend uninformiert, denn kaum ein Autor stellt explizit den Erkenntniszuwachs oder die Differenz zwischen "damals" und "heute" dar (und einen ständigen Vergleich mit den Ausführungen in der Publikation von 1981 kann man wohl auch dem geneigten Leser nicht zumuten). Eine gute "Ausnahme" stellt in dieser Hinsicht der Beitrag von Alexander Roßnagel dar ("Rechtswissenschaft", S. 195-214), der mit Ausführungen zu "Technikrechtswissenschaft vor 20 Jahren" beginnt. Konzeptionell wird m. E. der sehr instruktive Beitrag von Götz Großklaus ("Technikforschung in kulturwissenschaftlicher Perspektive", S. 215-230) vom Herausgeber "zu tief gehängt", wenn er schreibt, dass der "vergleichsweise neue Ansatz der Kulturwissenschaften, der sich mit der ästhetischen Perspektive überschneidet", nicht eigens ausgewiesen wurde. Ein entsprechendes, breiteres Kulturverständnis (vielleicht in Analogie zu Ropohls Technikbegriff "mittlerer Reichweite"), wozu Großklaus Anregungen gibt, ist m. E. für ein zeitgemäßes Technikverständnis unumgänglich.

"Perspektiven Interdisziplinärer Technikforschung" ist eine Sammlung vielfältiger interessanter Beiträge, die weniger ein verbindendes, theoretisch stringentes Konzept, sondern vielmehr eine Institution Interdisziplinärer Technikforschung repräsentieren. Darin ist wohl auch begründet, dass der mit dem Untertitel gesetzte dreifache Anspruch ("Konzepte, Analysen, Erfahrungen") am ehesten hinsichtlich der "Erfahrungen", am wenigsten hinsichtlich der "Konzepte" eingelöst wird.

Mit der Orientierung an "sozialwissenschaftlicher Technikforschung" ist für die Interdisziplinäre Technikforschung bereits ein bestimmtes disziplinäres Zusammenwirken unterstellt: dabei kann es sich keinesfalls um eine "technikwissenschaftliche interdisziplinäre Technikforschung" handeln (die es ja tatsächlich gibt), sondern eingeschlossen in diese Auffassung ist höchsten ein Zusammenwirken von Natur- und Technikwissenschaften auf der einen, von Sozial- und Geisteswissenschaften auf der anderen Seite. Dabei lässt sich konstatieren, dass zunächst auf einer recht allgemeinen Ebene verharrt wird, ohne dass die vielfältigen angesprochenen theoretischen Positionen in angemessener (d. h. auch erforderlicher!) Weise weiter diskutiert und begründet werden. Sodann zeigt sich eine Diskrepanz zwischen den mehr konzeptionellen und den mehr konkreten Beiträgen in dem Sinne, dass kaum ein Bezug aufeinander vorhanden ist bzw. eine "Illustration" oder Weiterführung des im Einleitungskapitel vorgestellten Konzepts erfolgt.

Abschließendes

Interdisziplinarität bzw. Interdisziplinäre Technikforschung ist zunächst sowohl eine Idee oder ein Konzept (wie für das Buch von Ropohl) als auch eine Institution (wie für das Buch von Krebs et al.), sodann aber auch eine Methode, eine Forschungs- wie Darstellungsweise. Beide Bücher zeigen den Realisierungsstand und den Realisierungsgehalt, gegenwärtige Möglichkeiten und Begrenzungen auf je spezifische Art.

Als Fazit nach der Lektüre der beiden lesenswerten, informativen und anregenden Publikationen kann man uneingeschränkt Jan C. Schmidt und Ulrich Gehrlein zustimmen: "Vielschichtig und facettenreich bleibt die Interdisziplinäre Technikforschung auch nach allen Klärungsversuchen. Sie ist ein Desiderat ohne letzte Einheitlichkeit. Auch für die Zukunft scheinen Polyperspektiven, unterschiedliche Zugangsweisen und plurale Betrachtungsweisen der Interdisziplinären Technikforschung eigen zu sein." (Krebs et al., S. 33)

Anmerkungen 

[1] Im ersten Beitrag der "Einleitung" (Jan C. Schmidt, Ulrich Gehrlein: Perspektivenwechsel Interdisziplinärer Technikforschung. Eine einleitende Skizze zu Herkunft und Wandel der Technikforschung; S. 15-39) wird abschließend unter der - hier etwas fehlorientierenden - Überschrift "Perspektiven Interdisziplinärer Technikforschung" eine kurze inhaltlich-thematische Zuordnung der Beiträge der folgenden Kapitel vorgenommen.

[2] Vgl. Ropohl, G., 1979: Eine Systemtheorie der Technik. Zur Grundlegung der Allgemeinen Technologie. München, Wien: Carl Hanser Verlag

[3] Dass damit konzeptionell bewusst über jegliche monodisziplinäre Sicht auf die Technik (sei sie z. B. technikwissenschaftlicher, soziologischer oder ökonomischer Ausrichtung) hinausgegangen wird, ist ganz sicher ein Gewinn.

[4] Beiläufig sei die Frage gestellt, ob das nicht etwa in der Umweltforschung oder den Humanwissenschaften analog ist.

[5] Ropohl, G., 1996: Ethik und Technikbewertung. Frankfurt a.M.: Suhrkamp-Verlag, S. 24.

[6] Wie breit Interdisziplinäre Technikforschung gefasst wird, erhellt sich auch aus folgender Bemerkung der Autoren: "In Interdisziplinärer Technikforschung sollen Technikgeneseforschung, Technikfolgenabschätzung, Risikowahrnehmung und Risiko-Forschung ..., Technikbewertung, Technikbeobachtung und -vorausschau, leitbildorientierte Technikgestaltung zusammengefasst werden." (S. 26f.) Sie beziehen sich dabei auf Bechmann, G.; Petermann, Th. (Hrsg.), 1994: Interdisziplinäre Technikforschung. Genese, Folgen, Diskurs. Frankfurt a.M, New York: Campus-Verlag.