Tagung "Nachhaltige Mobilität im Spannungsfeld von ökonomischen, ökologischen und sozialen Anforderungen"

Tagungsberichte

Tagung "Nachhaltige Mobilität im Spannungsfeld von ökonomischen, ökologischen und sozialen Anforderungen"

Berlin, 12. Oktober 1999

Tagungsbericht von Sigrid Klein-Vielhauer, ITAS

Die Friedrich Ebert Stiftung, Abteilung Wirtschaftspolitik, hatte zu einer Fachkonferenz im Rahmen der Veranstaltungsreihe Wirtschaftspolitische Diskurse eingeladen. Die eintägige Vortrags- und Diskussionsveranstaltung zog einschließlich der Referenten rund 90 Teilnehmer an.

Nach der Begrüßung durch Karl-Hans Weimer vom Wirtschafts- und sozialpolitischen Forschungs- und Beratungszentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Einführung in das Thema durch Stefan Rommerskirchen, Vizedirektor, Bereichsleiter Verkehr, Prognos AG, Basel, enthielt das Programm zwei Veranstaltungsblöcke mit relativ kurzen Rede- und Diskussionszeiten unter der Leitung von Rommerskirchen einerseits und der von Günter Holzapfel, Leiter der Arbeitsgruppe "Integrierte Verkehrsplanung", Universität Gesamthochschule Kassel, andererseits. Der erste Veranstaltungsblock ging auf mögliche oder sich bereits abzeichnende wesentliche Handlungsrichtungen der Verkehrspolitik für die Bundesrepublik Deutschland aus wissenschaftlicher und politischer Sicht ein und behandelte hierbei vor allem die gleichzeitigen Anforderungen aus ökonomischer, ökologischer und sozialer Sicht. Im zweiten Block wurde über die Notwendigkeit einer nachhaltigen Mobilität unter den Bedingungen der weltweiten Ölreserven sowie über mögliche bzw. schon im kleinen Maßstab erprobte Umsetzungen einer nachhaltigen Mobilität vorgetragen und diskutiert. Insgesamt waren die Vortrags- und Diskussionszeiten recht knapp bemessen. Leider kam es auch aus diesem Grund kaum zu einer tieferen inhaltlichen Verknüpfung der beiden Veranstaltungsblöcke. [1] )

In Vertretung des zunächst verhinderten Ulrich Schüller, Leiter der Grundsatzabteilung im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, hat der Leiter des Referats für verkehrspolitische Grundsatzfragen Hahn über die Perspektiven einer integrierten Verkehrspolitik der Bundesregierung vorgetragen. Der Vortragende hat für die Themaformulierung bewusst den Begriff Perspektiven anstatt des von den Veranstaltern ursprünglich vorgeschlagenen Begriffs Konzept herangezogen. Im Hinblick auf den Begriff der integrierten Verkehrspolitik stellte er weniger die Integration ökonomischer, ökologischer und sozialer Belange heraus als vielmehr die integrierte Betrachtung aller Verkehrsträger sowie die Verknüpfung der Bereiche Verkehr und Bauen/Wohnen. Im Hinblick auf die politischen Möglichkeiten, Mobilität zu beeinflussen, unterschied der Vortragende im wesentlichen die Kategorien "Gebote/Verbote", "Anreizinstrumente" - vor allem Mobilitätsmanagement und -beratung -, "Fiskalische und preisliche Regelungen" und "Veränderung der Angebotsgestaltung". Bei den "Fiskalischen und preislichen Regelungen" wurde unter anderem die Notwendigkeit des Vollkostenprinzips für streckenabhängige Gebühren befürwortet, das Bundesministerium für Verkehr will am Anfang des Jahres 2000 eine Aussage zur Gebührenhöhe machen und eine Ausschreibung für die auszuwählende Gebührenerhebungstechnik veröffentlichen. Bei der "Veränderung der Angebotsgestaltung" wurde unter anderem die Möglichkeit des Marktzutritts auch für neue Bahnbetriebsgesellschaften und die Finanzierung von Umschlaganlagen des Kombinierten Verkehrs angesprochen. Die betriebswirtschaftliche Anwendung der Telematik (Informations- und Kommunikationstechnik) im Personen- und Güterverkehr wird als relativ weit fortgeschritten bezeichnet, sie sei aber auf nationaler und europäischer Ebene noch ausbaubar, insbesondere die Realisierung volkswirtschaftlicher Vorteile stünde noch aus. In seinem Schlusswort verwies der Vortragende auf die Notwendigkeit, von isolierten politischen Maßnahmen abzugehen, vielmehr die politischen Maßnahmen stärker abzustimmen und zu bündeln, vor allem auch in der konzeptionellen Phase der Verkehrsträgerplanung. Dies führe in dem deutschen föderativen System jedoch zu einem komplexen Prozess.

Günter Halbritter, Forschungszentrum Karlsruhe, stellte die im Auftrag des Deutschen Bundestages vom Büro für Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestags (TAB) erstellte Studie "Entwicklung und Analyse von Optionen zur Entlastung des Verkehrsnetzes und zur Verlagerung von Straßenverkehr auf umweltfreundlichere Verkehrsträger" vor [2] ). Die bedeutendsten Hemmnisse, die häufig in der Diskussion über die Umsetzungschancen von Optionen für eine Verlagerung von der Straße auf Straße und Schiene geltend gemacht werden, müssten als so nicht haltbare pauschale Voreinschätzungen zurückgewiesen werden. So seien die Verkehrsträger Schiene und Wasserstraße auch unter Berücksichtigung der für den Straßenverkehr anvisierten Euro-3- und Euro-4-Normen tatsächlich umweltfreundlicher, dies gelte für den Fern- und den Nahverkehr. Für letzteres wurde insbesondere auf das umgesetzte Modell der Karlsruher Stadtbahn verwiesen. Die Bahnkapazitäten seien entsprechend den Ergebnissen eines gemeinsam mit dem Deutschen Verkehrsforum vergebenen Unterauftrags ausreichend, um weitere Verkehrsleistungen zu übernehmen. Für die der Studie vorgegebene Zielsetzung wurden drei grundsätzlich verschiedene Handlungsoptionen identifiziert, in denen insbesondere die technischen Potentiale der Telematik und deren organisatorische Umsetzungsmöglichkeiten eine Kernfunktion erfüllen. Die Studie zeigt insgesamt, dass im Hinblick auf eine Umsetzung innovativer Konzepte im Sinne einer nachhaltigen Mobilität gezielte und abgestimmte Bemühungen nicht nur der Wirtschaft, sondern auch des Staates und verschiedener gesellschaftlicher Gruppen notwendig sind (zur Studie siehe TA-Datenbank-Nachrichten, Nr. 3/4, 7. Jg., Nov. 1998, S. 149-153).

Als Vertreter der Europäischen Union sprach Josef Winfried Grüter, Generaldirektion Verkehr, Brüssel, einige Aspekte an, die die gegenwärtige verkehrspolitische Situation schlaglichtartig beleuchten. Die Zahl der von Rommerskirchen einleitend erwähnten 134 Indikatoren der Vereinten Nationen für den Verkehrssektor findet er viel zu hoch, auf diese Weise seien Diskussionen nur noch im kleinen Kreis, nicht aber in der breiten Öffentlichkeit möglich. Ohnehin sei das Nachhaltigkeitskonzept in der Öffentlichkeit nicht existent. Ein EU-Weißbuch zur nachhaltigen Verkehrspolitik sei bereits 1995 erschienen und bisher nicht Teil der europäischen Verkehrspolitik geworden. Die EU setzt ihre verkehrspolitischen Rahmenbedingungen in vier Blöcken: Selbst entwickelte Konzepte, so das bereits erwähnte Weißbuch, Technische Vorgaben, Forschungsrahmenprogramm und Verabschiedung von Richtlinien/Verordnungen. Die "auf Dauer erträgliche Mobilität" enthält für Grüter drei Elemente im Sinne von Erfordernissen: Technische und ökonomisch-finanzielle Effizienz, die Umweltauswirkungen sind so gering wie möglich zu halten und sicherheitstechnische Vorschriften, die möglicherweise gerade durch marktwirtschaftliche Elemente im Verkehr vernachlässigt werden, sind verstärkt zu beachten. Zur Effizienz wurde beispielsweise angemerkt, dass die tatsächlich erreichten Transportgeschwindigkeiten praktisch noch auf dem Niveau des Postkutschenzeitalters sind und häufig übersehen wird, dass sich die Art der transportierten Güter - weniger Schüttgut wie Kohle und mehr Stückgut wie Computer - jedoch deutlich gewandelt hat. Der Vortragende stellte abschließend die Frage, ob es aus Umweltschutz- und Sicherheitsgründen zukünftig noch haltbar sei, dass sich jeder Verkehrsteilnehmer bei jeder Art von Verkehrsleistung seinen eigenen Verkehrsträger aussucht.

Dem Thema "Ökonomische Ziele der nachhaltigen Mobilität - Bedingungen und Hindernisse aus der Sicht der Industrie " widmete sich August Ortmeyer, Leiter der Verkehrsabteilung des Deutschen Industrie- und Handelstages, Bonn. Grundsätzlich sieht er bisher nicht geklärt, wie die betriebswirtschaftliche und die volkswirtschaftliche Variante des Nachhaltigkeitsprinzips zu definieren sind. Er begrüßt es, wenn in den Betrachtungsrahmen die volkswirtschaftliche Ebene mit einbezogen ist, d.h. im Hinblick auf die Produktion von Gütern und Dienstleistungen auch der Ressourceneinsatz mit betrachtet wird. Es gibt hierbei zwei mögliche Sichtweisen: Bei der einen Sichtweise wird die Volkswirtschaft als Produktionswirtschaft angesehen, für die ein gewisser Mobilitätsbedarf bzw. ein gewisser Ressourcenverbrauch unabdingbar ist; es ist dann jeweils herauszufinden, welcher Verkehrsträger bei einer gewünschten Transportqualität der geeignetste ist. Bei der anderen Sichtweise wird der Volkswirtschaft eine bestimmte Umweltkapazität vorgegeben, die im Zeitablauf zunehmend reduziert wird, so dass dann nach Wegen zur Anpassung der Produktion an diese reduzierte Umweltkapazität zu suchen ist. Grundsätzlich wird der Wasserstraße nur eine relativ geringe Aufnahmekapazität für verlagerten Gütertransport zugesprochen. Der Schiene wird Organisationsversagen attestiert - eine europaweite Bahnreform mit richtigem Wettbewerb wird angemahnt. Entsprechend bleibt als wichtigstes Verkehrsmittel der Lastkraftwagen übrig. Zugunsten des Verkehrsmittels Lkw wird neben Telematikinvestitionen auch ein weiterer Ausbau der Straßenkapazitäten beispielsweise für den Ausbau einer dritten Spur oder zum Schließen von Lücken als erforderlich angesehen. Ergänzend wies der Vortragende darauf hin, dass das Aufkommen der Mineralölsteuer in den 50er Jahren der Straßenbaufinanzierung diente.

Andreas , Wissenschaftszentrum Berlin, trug zum Thema "Soziale Ziele der Nachhaltigen Mobilität" vor. Er stellte einleitend fest, dass Mobilität als Bewegung im Kopf und Verkehr als faktische Bewegung zum Beispiel auf der Straße begrifflich unterschieden werden sollten, wir in einer demokratischen Gesellschaft leben und somit den Verkehr akzeptieren müssen, und auch ein Wechsel von der Eisenbahn- zur Autogesellschaft zu konstatieren ist. Wenn man an dem aktuell gültigen Demokratie-Modell der garantierten Teilhabe festhalten will, muss man auch die raumgreifenden und raumfüllenden Aktivitäten akzeptieren. Zudem können Erwartungsräume schnell in Verpflichtungsräume umschlagen, z.B. muss ein Arbeitsloser heute schon bis zu zweieinhalb Stunden tägliche Fahrzeit zu einem entfernteren Arbeitsplatz in Kauf nehmen, später muss er vielleicht sogar einen Arbeitsplatz in einem anderen EU-Land annehmen. Eine Alternative zu dem derzeitigen gesellschaftlichen Modell könnte aber auch darin bestehen, dass wir uns eingestehen, "es zu toll getrieben zu haben", und wir insofern eine andere Demokratie formulieren und ein neues Menschenbild entwerfen müssen.

Das Thema "Ökologische Ziele der Nachhaltigen Mobilität" wurde von Axel Friedrich, Direktor der Abteilung Umwelt und Verkehr des Umweltbundesamtes Berlin behandelt. Er hat neun Zielbereiche im Verkehr identifiziert, für die konkrete Einzelziele festgelegt werden müssen. Er zieht aus der Betrachtung einiger Zahlen den Schluss, dass weder die Schiene noch die Straße die Probleme allein zu lösen imstande sein dürfte, und die Logistiker in etwa fünf Jahren eine Straßenbenutzungsgebühr dramatisch einfordern könnten. Gerade am Beispiel der erforderlichen Halbierung der Lärmbelastung an Haupt- und Nebenverkehrsstraßen zeige sich, dass technische Lösungen allein nicht mehr hinreichend sind. Abschließend wurden unter anderem sektorspezifische Ziele für den Verkehrsbereich, eine Planumweltverträglichkeitsprüfung, Verkehrsauswirkungsanalysen und die Festlegung von Indikatoren gefordert.

In der den ersten Veranstaltungsblock abschließenden Plenumsdiskussion wurden sehr unterschiedliche Aspekte angesprochen. Beispielsweise wurde auf das Modell des "züri mobil" verwiesen, das für einige den generellen Trend zum Individualverkehr widerspiegelt. Darauf wurde entgegnet, dass in der Schweiz mit die stärkste Pro-Kopf-Mobilität festzustellen ist, an ihr die Eisenbahn einen großen Anteil hat und diese hohe Kosten verursacht, über die die Bevölkerung jedoch nicht klagt. Es wurde davor gewarnt, im Hinblick auf die Operationalisierung von Nachhaltigkeit beispielsweise verkehrssektorspezifische Beschäftigungsziele zu definieren. Ein EU-Vertreter hielt wenig von integrierten Verkehrssystemen, er plädierte jedoch für eine integrierte Bewertung einzelner Verkehrsträger bzw. -arten, die Aspekte wie Effizienz, Sicherheit etc. gleichzeitig berücksichtigt. Die Wissenschaft sei aufgefordert, so schnell wie möglich zu einem einheitlichen Bewertungssystem zu kommen. Ein Speditionsvertreter verwies auf die erhöhten Kosten für ein zusätzliches Umladen zum Beispiel auf ein Binnenschiff. Diese seien nur auf der Rheinachse wieder einspielbar, weil hier vier Container aufeinandergestapelt werden können.

Zu Beginn des zweiten Veranstaltungsblock sprach Barbara Meyer-Bukow, Leiterin Abt. Öffentlichkeitsarbeit des Mineralölwirtschaftsverbandes MWV, Hamburg, zum vorgegebenen Thema "Nachhaltige Mobilität unter den Bedingungen sinkender Ölreserven". Sie verwies unter anderem darauf, dass nach den üblichen technischen und ökonomischen Kriterien die Höhe der weltweiten Mineralölreserven schon immer bei rund 130 Mrd. t Rohöl lag und die Reichweite damit bei einem durchschnittlichen jährlichen Abbau von 3 Mrd. t auch heute noch bei rund 40 Jahren liegt. Trotzdem sei Sparsamkeit im Umgang mit dem Mineralöl ein Gebot der ökonomischen Vernunft. Aber bereits in der Vergangenheit seien Beiträge zum Ziel einer nachhaltigen Mobilität geleistet worden. Erst längerfristig und in einem langsamen Ablösungsprozess dürften sich zum Benzin und Diesel alternative Kraftstoffe und neue Antriebstechniken durchsetzen.

Über bisherige konkrete Erfahrungen mit Ansätzen für eine nachhaltige Mobilität im Bereich des Güterverkehrs trug Petra Seebauer, Geschäftsführerin der ILV - Institut für Logistic und Verkehrsmanagement GmbH, Ottobrunn/München, vor ("Das Münchener Modell - Erfahrungen aus der Praxis"). Bedingt durch die in der Vergangenheit beim Einzelhandel häufig vorgenommene Umwandlung von Lager- in Verkaufsflächen kam es zu kleineren und häufigeren Bestellungen. Hinzu kamen in der letzten Zeit auch verstärkte Tendenzen zur Selbstabholung beim Hersteller oder Großhandel. Als Reaktion hierauf ist der Begriff "City-Logistik" seit mehreren Jahren in aller Munde. Unter City-Logistik sind Systeme und Methoden zu verstehen, die errichtet bzw. genutzt werden, um den Wirtschaftsverkehr speziell im städtischen Raum durch Bündelung von Transportaufgaben effizient(er) und intelligent(er) zu gestalten. 80 verschiedene Projekte wurden pauschal zitiert, die den drei Zielen Verkehrsreduzierung, Verkehrsverlagerung und Umweltverträgliche Gestaltung des Verkehrs dienen sollen. Als das wichtigste Ergebnis der dabei gewonnenen Erfahrungen sieht die Vortragende an, dass diese Ziele von den an der Wertschöpfungskette Beteiligten nur verfolgt werden, wenn sie dadurch auch eigene ökonomische Ziele, insbesondere der Kosteneinsparung, erreichen können. Die Kooperation entlang der Wertschöpfungskette wurde bisher vor allem vom Großhandel, von den großen Einzelhandelsunternehmen (Kaufhauskonzerne) und vermehrt auch von den Logistischen Dienstleistern initiiert und betrieben. Die Initiative für eine Kooperation kann prinzipiell aber auch von den Herstellern, der verladenden Industrie, ausgehen. Auf diesen Ansatz richten sich die bisherigen Bemühungen um eine Umsetzung des Münchner Modells in sechs branchenorientierten "Münchner Kreisen" entwickelt. Erste praktische Erfahrungen gibt es bisher im wesentlichen bei den beiden Münchner Kreisen Papier- und Schreibwarenindustrie sowie Körperpflege- und Waschmittelindustrie. Die Kooperation, die sich zunächst auf München und angrenzende Regionen beschränkte, ist im ersten Fall seit 1998 und im zweiten Fall in nächster Zukunft auf Auslieferungen in ganz Deutschland ausgerichtet. Die Kooperation erfolgt mittels einer physischen und einer telematischen Vernetzung.

Über die gebündelte Belieferung bei Baumärkten berichtete Dieter Blum, Geschäftsführer der Baumarkt-Logistic GmbH & Co., Wermelskirchen. Der Vortragende vertritt eine Firma, die als joint venture der Firma OBi und dem Logistiker Fiege gegründet wurde. Zur Firma OBi gehören rund 340 Märkte in Deutschland, ca. 70 in weiteren europäischen Ländern, der Umsatz betrug 1998 6,5 Mrd. DM, in den beiden darauf folgenden Jahren sollen jeweils 10 Mrd. DM Umsatz erreicht werden, europaweit werden rund 22 000 Mitarbeiter beschäftigt. Das Güterangebot der OBi-Baumärkte beruht auf dem Franchise-System, jeder Markt bestellt selbständig bei den Herstellern, es gibt ca. 2000 Lieferanten. Die Ware kommt zu 40 bis 50% aus Fernost, über Rotterdam kommt sie ins Zentrallager in Wermelskirchen. Das Grundsystem besteht aus quellbezogenen Umladepunkten einerseits und zielbezogenen Umladepunkten andererseits ("transshipment points"). So weit wie möglich wird auch die Schiene eingesetzt. Die Baumarkt-Logistic GmbH & Co. wollte ursprünglich auch andere Baumarktgruppen beliefern, es gab jedoch Berührungsängste.

Unter dem Titel "Nachhaltige Mobilität am Beispiel 'Personal Travel Assistance' der Siemens AG" berichtete Thomas Schwair, Zentralabteilung Technik, Leiter Innovationsfeld Verkehr, Siemens AG, München, Berlin. Das PTA-System, das von Siemens schon vor längerem für verschiedene Fahrtzwecke entwickelt wurde, wird zunehmend umgesetzt und war inzwischen auch schon mehrfach Gegenstand von Forschungsprojekten. Ziel des PTA ist es, alle für die Reiseplanung-, -buchung und nach Möglichkeit sogar -abrechnung relevanten Daten herbeizuholen, zusammenzuführen und zu verarbeiten. Eine wichtige Aufgabe ist die Standardisierung von statischen und erst recht von dynamischen Daten. Speziell für die On-Trip-Informationen wird das multimedial ausgelegte Handy als das geeignetste Zugriffsmedium angesehen. Als Voraussetzung einer nachhaltigen Mobilität werden portable multimediale Informationssysteme, die Integration verschiedener Verkehrsmittel und möglichst auch die Nutzung einer einzigen Chipkarte für Zahlungszwecke angesehen.

Über "Beispiele der Gerling-Gruppe zur nachhaltigen Verkehrsentwicklung" trug Jürgen Schulz, Umweltbeauftragter der Gerling-Versicherungsgruppe, Köln, vor. Von seiner Unternehmenskultur her fühlt sich das Unternehmen der Achtung von Mensch und Natur besonders verpflichtet. Der Gerling-Konzern ist inzwischen als erstes Unternehmen sowohl nach der Öko-Audit-Verordnung als auch nach den ISO-Vorschriften zertifiziert worden. Seit 1994 hat der Konzern in Köln ein Job-Ticket erfolgreich eingeführt.

Durch ein besonderes Umweltbewusstsein zeichnet sich auch die BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH, München, aus, worüber Albert Blum, Leiter Verkehrswesen, unter der Überschrift "Das Beispiel BSH - Bosch und Siemens Hausgeräte: Hohe Serviceanforderungen und Ressourcenschonung als Eckwerte der Verkehrsstrategie" berichtete. Das Unternehmen verfolgt vier grundsätzliche verkehrsbezogene Zielsetzungen: 1.Transporte reduzieren bzw. vermeiden, 2. den Einsatz der Schiene wenn möglich forcieren, 3. die Transporte möglichst günstig abwickeln, d.h. ausschließlich Spediteure einsetzen und 4. die Verkehrsträger Eisenbahn bzw. Binnenschiff und Straße kombinieren. Unter anderem wurde darauf hingewiesen, wie wichtig es für einen verstärkten Einsatz der Schiene sei, dass ein potentieller Kunde der Bahn mit eigenen Vorschlägen selbst aktiv werd. Das Unternehmen nutzt zwischen den Werken und Lägern schienengebundene Dreiecksverkehre, bei denen kein Rangieraufwand anfällt.

Die Diskussionen zum Abschluss des zweiten Veranstaltungsblocks und damit auch der Gesamtveranstaltung kreisten vor allem um Fragen, die auch für weitere Forschungsfragestellungen wichtig werden könnten. So wurde im Hinblick auf das Job-Ticket gefragt, was mit dem dann nicht benutzten Privatauto passiere, ob es dann nicht womöglich zu noch mehr Fahrten genutzt werde. Im Hinblick auf den gebündelten Güterverteilverkehr wurde die damit verbundene unbekannte Entwicklung des Sammelverkehrs herausgestellt. Als Argumente für einen verstärkten Bahneinsatz lassen sich in der Regel direkt realisierbare Vorteile wie Zeit- und Kostengewinne anführen, aber auch eine erwartete Verschärfung der Stauproblematik auf den Straßen kann für einen rechzeitigen Ausbau beispielsweise des Kombiverkehrs sprechen. Es scheint weitgehend unbekannt zu sein, inwieweit vorhandene Park- and Ride-Anlagen auch tatsächlich genutzt werden. Zur verkehrlichen Wirksamkeit einer Bündelung beipielsweise auf Herstellerebene wurden Zweifel geäußert, denn es könnte schon vorher eine Bündelung mit den Speditionen als Initiatoren gegeben haben. Und die genannten etwa 80 City-Logistik-Projekte stünden einfach deshalb relativ schlecht da, weil der Anteil des städtischen Wirtschaftsverkehrs, der bündelungsfähig ist, nur 10 bis 15% beträgt. Andererseits wurde dagegen geltend gemacht, dass ein relativ kleiner Anteil des städtischen Wirtschaftsverkehrs einen überproportional großen Anteil an der Schadstoffbelastung im Stadtgebiet haben könnte. Die Frage ist zudem, ob nicht selbst bei Unternehmen, die Umweltmanagement betreiben, noch größere Verbesserungspotentiale auf verkehrlicher Ebene erschlossen werden können.

Anmerkungen

[1] Zur Fachkonferenz "Nachhaltige Mobilität" veröffentlicht die Friedrich-Ebert-Stiftung im Februar 2000 einen Bericht, der kostenlos bei der Abteilung "Wirtschafts- und sozialpolitisches Forschungs- und Beratungszentrum" in 53170 Bonn, Godesberger Allee 149 bezogen werden kann.

[2] G. Halbritter u.a.: Umweltverträgliche Verkehrskonzepte. Entwicklung und Analyse von Optionen zur Entlastung des Verkehrsnetzes und zur Verlagerung von Straßenverkehr auf umweltfreundliche Verkehrsträger. Berlin: Erich Schmidt, 1999 (Beiträge zur Umweltgestaltung: A; Bd. 143) ISBN 3-503-04805-7

Kontakt

Sigrid Klein-Vielhauer
Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Postfach 3640, 76021 Karlsruhe