NanoTrust. Ein österreichisches Projekt zu möglichen Gesundheits- und Umweltrisiken der Nanotechnologie

TA-Projekte

NanoTrust

Projektvorstellung
Ein österreichisches Projekt zu möglichen Gesundheits- und Umweltrisiken der Nanotechnologie

von Ulrich Fiedeler, André Gazsó, Myrtill Simkó und Michael Nentwich, ITA, Wien

Der Nanotechnologie wird von vielen Seiten ein großes Innovationspotenzial zugeschrieben. Es gibt bereits eine Reihe von Produkten auf dem Markt, die laut Herstellerangaben auf Nanotechnologie basieren. Zudem wird die Nanotechnologie-Forschung forciert und großzügig finanziert; mit weiteren Anwendungen ist also zu rechnen. Demgegenüber ist das bislang verfügbare Wissen zu möglichen Risiken für Umwelt und Gesundheit erst punktuell vorhanden und mit großer Unsicherheit behaftet. Vor dem Hintergrund dieser Diskrepanz zwischen dem Wissensstand über eventuelle Gefahren und dem Entwicklungs- und Verbreitungsstand von Nanotechnologien werden zunehmend Erwartungen an staatliche Einrichtungen herangetragen, eine Risiko-Governance-Strategie zur Nanotechnologie vorzulegen. Seit Oktober 2007 werden im österreichischen Projekt „NanoTrust“ die Aufarbeitung und Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu möglichen Nebenfolgen der Nanotechnologie erforscht. Aufgrund der Charakteristika der Nanotechnologie und ihrem forschungspolitischem Umfeld zeichnet sich das Projekt durch eine für den deutschsprachigen Raum einmalige Zielsetzung und Konzeption aus.

1     Einleitung

„NanoTrust“ bezeichnet eine integrierende Analyse des Wissensstandes über mögliche Gesundheits- und Umweltrisiken der Nanotechnologie und wurde vom österreichischen Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) als Forschungs- und Beratungsprojekt in Auftrag gegeben. Auftragnehmer ist das Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien. Das Projekt hat vorerst ein Volumen von dreimal drei Personenjahren und läuft bis September 2010. Das interdisziplinär zusammengesetzte Projekt-Team besteht aus einer Biologin mit Schwerpunkt auf experimenteller Zellbiologie / Toxikologie, einem Physiker mit Erfahrung in der Technikfolgenabschätzung und einem interdisziplinär ausgebildeten Risikoforscher. Das Projekt wird vom Direktor des ITA geleitet und bei Bedarf durch WerkvertragnehmerInnen verstärkt.

2     Zielsetzung

Ziel des Forschungsprojekts ist es, den Wissensstand über mögliche Gesundheits- und Umweltrisiken (EHS – environment, health and safety) der Nanotechnologie kontinuierlich zu erheben, zu analysieren und zusammenzufassen. Diese Analysen schließen auch gesellschaftliche Aspekte, wie ethische und rechtliche Fragen (ethical, legal and social aspects, ELSA), aber auch Fragen der Risikoperzeption und -kommunikation mit ein. Neben der Aggregation und Kommunikation von Erkenntnissen zu diesen Themen ist die Vernetzung der Akteure, die im Bereich der Nanotechnologie tätig sind, ein weiteres wesentliches Ziel des Projekts. NanoTrust soll die Rolle einer Informationsdrehscheibe und eines Diskussionskatalysators einnehmen, um das bereits an verschieden Orten bestehende Wissen in den Governance-Prozess zur Nanotechnologie einzuspeisen.

Die Zielgruppen der Kommunikationsaktivitäten des Projekts sind vielfältig: Im Zentrum steht hierbei der direkte Auftraggeber, primär das Staatssekretariat für Technologie und Innovation im BMVIT und die dortige Technologiesektion. Daneben sind jedoch auch jene Behörden und politischen Gremien Adressaten, die im weitesten Sinne mit Agenden betraut sind, die die Forschung zu bzw. den späteren Einsatz von Nanotechnologien betreffen. Dazu gehören neben dem Österreichischen Parlament insbesondere die für Forschung, Gesundheit, Konsumentenschutz, Wirtschaft, Umwelt, Wasser und Lebensmittel zuständigen Ministerien sowie deren nach gelagerten Dienststellen, etwa das Umweltbundesamt oder die Agentur für Ernährungssicherheit. Weitere wichtige Adressaten der NanoTrust-Aktivitäten sind die einschlägigen ForscherInnen und VertreterInnen jener Bereiche der Wirtschaft, die entweder selbst F&E im Bereich Nanotechnologie betreiben oder sich die Entwicklungsarbeit zu Nutze machen. Schließlich ist die interessierte Öffentlichkeit eine weitere wichtige Zielgruppe des Projekts. Diese Öffentlichkeit umfasst einerseits NGOs und die MultiplikatorInnen in den Medien (JournalistInnen), andererseits auch jenen Teil der allgemeinen Bevölkerung, der sich generell für Fragen der F&E interessiert und sich über entsprechende Entwicklungen über die Medien (Presse, Radio, Fernsehen) informiert.

3     Strategie

Das Projekt „NanoTrust“ ist durch folgende strukturelle Elemente charakterisiert, die es von „klassischen“ TA-Projekten[1] unterscheidet:

  1. Die Exploration und Verbreitung des für das Projekt relevanten Wissens ist in Form eines kontinuierlichen Prozesses organisiert. Dies ermöglicht dem Projekt mit der nötigen Flexibilität auf die sich laufend wandelnde Wissens- und Politiklandschaft der Nanotechnologie zu reagieren. So wird an Stelle von Abschluss- oder seltenen Zwischenberichten die gesammelte Information kontinuierlich in so genannten „NanoTrust-Dossiers“ veröffentlicht. Diese Dossiers fassen in aller Kürze (drei bis maximal sechs Seiten) in allgemein verständlicher Sprache den aktuellen Wissensstand zu jeweils einem aktuellen Thema zusammen.[2] Sie werden als PDF-Dokument online kostenlos zur Verfügung gestellt (http://nanotrust.ac.at/dossiers.html).
  2. Entsprechend der kontinuierlichen Weitergabe der Information spielen die Internetseiten (http://www.nanotrust.ac.at) eine wesentliche Rolle und treten sozusagen an die Stelle eines Projektberichtes. Hierbei verschmelzen Aufarbeitung und Präsentation von Wissen, da die NanoTrust-Website dem Projekt gleichzeitig als eigene Wissensbasis dient. Über die Webseiten bietet das Projekt die wesentlichen Ergebnisse für alle Interessierten an. Damit soll diese Plattform im Laufe der Zeit zu einem zentralen Wissenspool, zu einem „virtuellen Clearing House“ werden. Das Medium bietet z. B. die Möglichkeit, die im Rahmen des Projekts gemeinsam mit Kooperationspartnern[3] gepflegte Literatur-Datenbank auszugsweise (d. h. insbesondere ohne die internen Kommentierungen und die Links zu urheberrechtlich geschützten Dokumenten) einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Gleichzeitig ist eine transparente Offenlegung der verwendeten Materialien gewährleistet. Zu dem Informationsangebot der Internetseite gehört auch eine kommentierte Linksammlung. Sie dient nicht nur der Information, sondern kann auch zur Vernetzung beitragen: Mit ihr wird den Adressaten des Projekts Zugriff auf Portale, Netzwerke, Forschungseinrichtungen, Behörden und Unternehmen rund um F&E der Nanotechnologie geboten.
  3. Die Kommunikation der Ergebnisse ist ein weiteres wesentliches Element des Projekts. Neben der Präsentation der Ergebnisse im Internet und in Form von Vorträgen, Publikationen und Aussendungen an einen E-Mail-Verteiler spielt die Organisation von Veranstaltungen verschiedenen Formats eine wichtige Rolle (http://www.nanotrust.ac.at/veranstaltung.html). Jährliches organisiert NanoTrust eine sogenannte Herbsttagung für rund 50 TeilnehmerInnen: Die erste Tagung fand am 25. September 2007 in Wien statt und war dem Thema „Risk Governance of Nanotechnologies: The International State-of-the-Art” gewidmet. Die zweite Tagung wird derzeit für den 29. September 2008 vorbereitet und wird sich des Themas “Nanotechnologies: The Present State of Regulation” annehmen (http://nanotrust.ac.at/nano08/). Außerdem werden für kleinere Zielgruppen Arbeitstreffen und kleinere Seminare bzw. Workshops zu Spezialthemen organisiert. Weiterhin beteiligt sich das NanoTrust-Team auch an der Planung und Durchführung von Fachtagungen Dritter (z. B. Viennano’09, BioNanoMed’09), etwa durch die Organisation oder die Beratung zu speziellen Programmteilen.
  4. Wie bereits erwähnt, dienen die Workshops und Tagungen, die von NanoTrust organisiert werden, nicht nur der Information der Adressaten, sondern auch deren Vernetzung. Hinzu kommen zahlreiche informelle Treffen und Kooperationen mit relevanten Akteuren. Bislang wurden insbesondere Treffen mit Vertretern der Wirtschaftskammer Österreich, derArbeiterkammer, der Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit und des Gesundheitsministeriums initiiert. Weiters wurden Kontakte zu diversen sonstigen Stakeholdern und Beratungseinrichtungen (z. B.Ökologie-Institut) geknüpft. Über die o. g. Plattform und den externen Beirat entstehen weitere Arbeitsbeziehungen zu anderen österreichischen Ministerien bzw. Behörden, wie etwa dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz und dem Forschungs- und Technologierat.

Mit diesen strukturellen Elementen reagiert das Projekt auf die Anforderungen, die sich aus den Besonderheiten der Nanotechnologie ergeben. Dies ist zum einen die Breite des Feldes, welche eine enorme Entwicklungsdynamik an den Tag legt, zum andern das noch häufig frühe Stadium der technischen Entwicklungen, bei dem weder der mögliche Anwendungskontext bekannt ist noch Kenntnisse über Gefährdungspotenziale der in der Entwicklung befindlichen Materialen vorliegen. Diese Unsicherheit kann nicht durch intensive Analyse von ExpertInnen aus der Welt geschafft, sondern muss mittels Governance-Strategien adressiert werden. Daher wird auf die Erkenntnisse aus den Vernetzungs- und Kommunikationsaktivitäten des Projekts im Verhältnis zu den rein forschungsbasierten Projekt-Ergebnissen besonderer Wert gelegt.

Anmerkungen

[1]  Mit „klassischer TA“ ist hier die expertenbasierte Erhebung, Analyse und Bewertung von Nebenfolgen gemeint, die dann in einem Abschlussbericht zusammengefasst wird und in Empfehlungen an das Parlament oder die Verwaltung mündet.

[2]  Zu folgenden Themen sind bereits NanoTrust-Dossiers erschienen: Zur Definition der Nanotechnologie; Was sind synthetische Nanopartikel?; Wie kommen Nanopartikel in den menschlichen Körper und was verursachen sie dort?; Nanopartikel und nanostrukturierte Materialien in der Lebensmittelindustrie; Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen von Nanopartikeln – EU-Projekte im 6. RP.

[3]  Die Kooperationspartner sind „BioNanoNet Forschungsgesellschaft mbH“ (http://www.bionanonet.at) und das Österreichische Umweltbundesamt (http://www.umweltbundesamt.at).