TA-Fokus

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TATuP Bd. 26 Nr. 3 (2017), S. 6–9

 

Meldungen

International

Türkisches STS-Netzwerk

Die Wissenschafts- und Technikforschung (STS) spielt auch in der Türkei eine immer wichtigere Rolle. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Orient Instituts Istanbul und der Middle East Technical University in Ankara haben reagiert und das Netzwerk „STS Turkey“ ins Leben gerufen. Es soll eine Plattform bieten für die Zusammenarbeit von Forscherinnen und Forschern, die die Interdependenzen zwischen Wissenschaft, Technik und Gesellschaft im türkischen Kontext untersuchen. Die Beteiligten trafen sich am 3. und 4. Oktober 2017 zur offiziellen Gründungsveranstaltung im Orient Institut Istanbul, um eine gemeinsame Vision und einen „Fahrplan“ für das Netzwerk zu entwickeln und für STS relevante akademische Programme und Forschungsaktivitäten vorzustellen. Auch die Schwierigkeiten des Feldzugangs in der Türkei und das Verhältnis von aktueller Gesetzgebung zur rasanten Entwicklung in den Biowissenschaften wurden diskutiert.

www.ststurkey.net

Politikberatung

Roboter-Rat in Österreich gegründet

Wie umgehen mit Robotern? Handlungsstrategien entwirft in Österreich künftig ein Roboter-Rat. Quelle: Ociacia/shutterstock

Roboter finden vermehrt den Weg in die Mitte öffentlicher wie privater Lebenswelten. Umfragen zeigen, dass Bürgerinnen und Bürger Hoffnungen wie Sorgen mit dem Trend verbinden und sich wünschen, dass sich die Politik stärker des Themas annimmt. In Österreich wurde darauf reagiert: Ein vom Infrastrukturministerium ins Leben gerufener Rat soll künftig Optionen für den Umgang mit Robotik und Künstlicher Intelligenz erforschen. Ziel ist es, Potenziale und Risiken für Mensch und Gesellschaft herauszustellen und, darauf aufbauend, zusammen mit dem Ministerium verantwortungsvolle Handlungsstrategien zu erarbeiten. Gleichzeitig soll der Rat Informationen über das sich rasant entwickelnde Feld der Robotik für den öffentlichen Diskurs aufbereiten und verfügbar machen. Vorsitzende des neunköpfigen interdisziplinären Teams aus Wissenschaft und Wirtschaft ist Sabine Köszegi, Professorin der TU Wien. Der österreichische Roboter-Rat hat ein Budget von einer Million Euro und ist zunächst für vier Jahre nominiert.

Konferenz

S.NET goes Politics

Die amerikanische Technik- und Wissenschaftsforschung hadert offensichtlich mit der Politik des republikanischen Präsidenten. Bei der neunten Jahrestagung der internationalen Society for New and Emerging Technologies (S.NET), die unter dem Motto „Engaging the Flux“ vom 9. bis 11. November 2017 in Phoenix (Arizona) stattfand, war Donald Trump stiller Gast. Neben dem Eröffnungsvortrag des Technikphilosophen und -soziologen Langdon Winner, der technischen Artefakten seit jeher politische Eigenschaften zuspricht, spielten in zahlreichen Vorträgen die Macht virtueller Bots zur Steuerung des Wählerverhaltens und die Grenzen der Partizipation in der Technikentwicklung eine zentrale Rolle. Forschende aus Europa und den USA nutzten die Konferenz zum Brückenschlag zwischen der Diskussion um Responsible Research and Innovation (RRI) und politischen Gegenwartsdiagnosen. In den Keynotes von Alfred Nordmann und Ulrike Felt ging es um die Organisation von Zeit und die Grenzen des vorausschauenden Planens der Technikentwicklung. Kreative Formate wie ein (vielleicht verfrühtes) symbolisches Begräbnis der Synthetischen Biologie und eine interaktive Ausstellung zum zweihundertjährigen „Frankenstein“-Jubiläum rundeten die Konferenz ab.

www.thesnet.net

 

Lehre

Master mit TA-Bezug

Risiken wissenschaftlich abschätzen und auf dieser Grundlage ein proaktives Nachhaltigkeitsmanagement entwickeln – dies lernen Studierende im Masterstudiengang „Risk Assessment and Sustainability Management“ (RASUM) an der Hochschule Darmstadt. Die ersten Absolventinnen und Absolventen konnten im September dieses Jahres verabschiedet werden. Der Studiengang verbindet aus der Technikfolgenabschätzung bekannte Methoden zur Abschätzung von Veränderungsprozessen mit Fragen der praktischen Umsetzung des Leitbilds der Nachhaltigen Entwicklung in Unternehmen. Für das Konzept wurde er von der Deutschen UNESCO-Kommission ausgezeichnet.

rasum.h-da.de

EPTA-Konferenz

Mobilität der Zukunft

Zeitgemäße Mobilitätsformen – hier in Rudolf Kollers „Gotthardpost“ von 1873 – standen im Mittelpunkt der EPTA-Konferenz in Luzern. Quelle: wikimedia

Unter dem Motto „Shaping the Future of Mobility“ hat in Luzern am 8. November 2017 die diesjährige Konferenz des European Parliamentary Technology Assessment Network (EPTA) stattgefunden. Ausgerichtet wurde sie von TA-SWISS, der Schweizerischen Stiftung für Technologiefolgen-Abschätzung, die gleichzeitig ihr 25-jähriges Bestehen und den Abschied ihres langjährigen Geschäftsleiters Sergio Bellucci in den Ruhestand feierte. Im Verkehrshaus Luzern – dem wichtigsten Technikmuseum und meistbesuchten Museum des Landes – beleuchteten Vortragende die vielfältigen Facetten der Mobilität der Zukunft. Auf der Konferenz präsentiert wurde zudem der EPTA-Bericht „Shaping the Future of Mobility – Mobility Pricing in Europe and beyond“ mit Beiträgen zu mobilitätspolitischen Fragen in 14 europäischen Ländern, den USA und Japan. Die im Turnus wechselnde EPTA-Präsidentschaft wird 2018 von STOA, dem „Scientific and Technological Options Assessment Programme“ am Europäischen Parlament wahrgenommen.

www.eptanetwork.org

 

5 Fragen an: Peta Ashworth

Professor, University of Queensland (Australia)

Why do you practice TA?

I love working with people, especially where there is contention, which often happens when you introduce new technologies.

What characterizes TA?

For me, participation is key to TA. Depending on the technology, stakeholders can differ, but participation always needs to happen early in technology development.

What would be your first act as minister for science?

I would implement more incentives for industries to create opportunities for PhD students. I also like to bring PhD students inside of parliament, allowing them to see the nexus of science and policy early in their career.

Which research question is being neglected?

In Australia, action on climate change remains completely politicised. We need to find a way to take politics out of such ‘big issues’ and work collaboratively on solutions.

Do you turn TA upside down in Australia?

For years, TA here has had mostly negative connotations – a default to technology arrestment rather than assessment. Now we can see policy makers develop more appreciation, particularly for a participatory TA. So there is hope!

Open Science

EU-Report zu Altmetrics

Quantitative Indikatoren wie der Impact-Faktor für wissenschaftliche Zeitschriften spielen heute eine große Rolle, wenn es darum geht, die Qualität wissenschaftlichen Arbeitens zu bewerten. Doch sind sie in Zeiten von Open Science, in denen Forschende ihre Daten frühzeitig mit Kollegen oder der Öffentlichkeit teilen und Open Access veröffentlichen, überhaupt noch zeitgemäß? Eine Expertengruppe hat sich im Auftrag der Europäischen Union mit dieser Frage auseinandergesetzt. Ergebnis ihres Reports „Next generation metrics: Responsible metrics and evaluation for open science“: Alternative Metriken (altmetrics) berücksichtigen neben den klassischen Faktoren auch die breitere gesellschaftliche Wirkung von Forschung. Die alternativen Metriken könnten so neuen Formen kollaborativen und webbasierten wissenschaftlichen Arbeitens besser gerecht werden und sogar zu einer Stärkung der Open-Science-Prinzipien beitragen. Ungeklärt sei jedoch beispielsweise, wie sich alternative Metriken mit klassischen Verfahren zur Evaluation und dem Peer Review verbinden lassen.

ec.europa.eu/research/openscience/pdf/report.pdf

Betonte die Rolle der TA für die Politikberatung zu neuen Technologien: Michael Decker, Sprecher des NTA-Koordinationsteams. Quelle: ITA

Netzwerk TA

Community feiert Nanotech-Projekt

In Wien trafen sich die Mitglieder des deutschsprachigen Netzwerks TA (NTA) am 29. September 2017 zu ihrem Jahrestreffen. Im dreizehnten Jahr des Netzwerkbestehens standen Überlegungen im Mittelpunkt, wohin sich das NTA mit seinen fast 500 persönlichen und 50 institutionellen Mitgliedern entwickeln kann und soll. Das Koordinationsteam hat sich dazu eine Analyse des TA-Verständnisses und der TA-Aktivitäten aller beteiligten Institutionen vorgenommen, um auf dieser Basis auch auf potenziell neue Mitglieder zuzugehen. Im Anschluss an das Jahrestreffen lud das Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) zur Feier des zehnten Jahrestags des Projekts „NanoTrust“, das sich mit sicherheitsrelevanten Fragen des Einsatzes von Nanomaterialien befasst. „Mit Unterstützung mehrerer Ministerien ist in Österreich ein leistungsfähiges Netzwerk entstanden, das am Beispiel der Nanotechnologien demonstriert, wie man mit neuen Technologien umgehen soll“, unterstrich Projektleiter André Gazsó vom ITA die Bedeutung von NanoTrust. In seinem Festvortrag betonte Michael Decker, Sprecher des NTA-Koordinationsteams vom Karlsruher Institut für Technologie, den Beitrag der TA zur wissenschaftsbasierten Politikberatung bei neuen Technologien.

www.openta.net/netzwerk-ta

Jubiläum

10 Jahre Netzwerk Zukunftsforschung

Moderne Gesellschaften zeichnen sich durch einen großen Bedarf an zukunftsbezogenem Wissen aus. Ein Treffpunkt für Menschen, die auf diesen Bedarf antworten – unabhängig ob aus Wissenschaft, Politik oder Wirtschaft –, ist seit zehn Jahren das Netzwerk Zukunftsforschung. Das Jubiläum wurde mit einer Tagung am 19. Oktober 2017 in Berlin gefeiert. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Öffnung des Netzwerks für den Umgang mit Zukünften in anderen Disziplinen und im internationalen Umfeld. Ganz in diesem Sinne kam die Keynote von Riel Miller, der als UNESCO-Experte für Anticipation and Foresight weltweit Future Literacy Workshops organisiert.

www.netzwerk-zukunftsforschung.de

Call for papers

Normative Grundlagen der TA

Technikfolgenabschätzung will dazu beitragen, negative Effekte neuer Technologien zu minimieren und positive zu maximieren. Sie selbst soll dabei neutral bleiben, obwohl sie in der Praxis auf normative Bezugspunkte angewiesen ist: Welche Technologien kommen auf den Prüfstand? Welche Effekte gelten als positiv bzw. negativ? Wer soll gehört werden? Das Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) in Wien beschäftigt sich bei seiner Jahrestagung am 11. Juni 2018 mit „Technikfolgenabschätzung und Normativität“. Abstracts können bis zum 2. März 2018 unter tamail@oeaw.ac.at eingereicht werden.

www.oeaw.ac.at/ita/veranstaltungen/konferenzen-workshops/ta18

Neuerscheinung

Open Innovation für Medikament-Entwicklung

Ebola, Malaria, Tuberkulose: Das sind nur die drei bekanntesten armutsbedingten Krankheiten, unter denen Millionen von Menschen leiden. Dass sie gerade in armen Ländern auftreten, liegt auch daran, dass die Entwicklung von Medikamenten wirtschaftlich nur wenig attraktiv ist. Katrin Gerlinger hat sich intensiv mit der Frage beschäftigt, wie Forschung und Entwicklung zu den so genannten vernachlässigten Krankheiten gestärkt und Handlungsoptionen für die Politik entwickelt werden können (vgl. TATuP 1–2/2017). In ihrer jetzt erschienenen Monografie unterstreicht die Wissenschaftlerin vom Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag insbesondere das Potenzial offener Innovationsprozesse: Öffentliche Einrichtungen und Pharmafirmen öffnen dabei ihre Substanzbibliotheken und Labore gezielt für Forschungsaktivitäten zu ausgewählten vernachlässigten Krankheiten, verwalten und nutzen Patente gemeinsam und machen Daten von klinischen Studien für die gemeinsame Weiterentwicklung von Wirkstoffen zugänglich.

Gerlinger, Katrin (2017): Medizinische Innovationen für Afrika. Forschung und Produktentwicklung zur Bekämpfung vernachlässigter Krankheiten. Studien des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag, Bd. 44. Baden-Baden: Nomos Verlag, 399 S., Print ISBN 9783848743117

 

Aus dem openTA-Kalender

14. 02. 2018, GRAZ, EInnov 2018 – EInnov 2018, 15. Symposium Energieinnovation. www.tugraz.at/events/eninnov2018/home

22.–23. 02. 2018, MÜNCHEN – Aufwachsen in digitalen Gesellschaften. Zur Ethik mediatisierter Kindheit und Jugend, Jahrestagung 2018 des Netzwerks Medienethik. www.netzwerk-medienethik.de/jahrestagung/tagung2018

07. 05. 2018, GRAZ – 17th Annual STS Conference 2018: Critical Issues in Science, Technology and Society Studies. conference.aau.at/event/137/overview

11. 06. 2018, WIEN – TA18-Konferenz, Technikfolgenabschätzung und Normativität – An welchen Werten orientiert sich TA? www.oeaw.ac.at/ita/en/events/conferences-workshops/ta18-konferenz/ueberblick

 

Personalia

Chris Tyler wechselte im Sommer 2017 von der Spitze des britischen Parliamentary Office of Science and Technology (POST) ans University College London. Als Director of Public Policy ist er dort Teil der Leitung des Department of Science, Technology, Engineering and Public Policy (STEaPP). Chris Tyler ist promovierter Anthropologe und Mitglied des Beirats der Campaign for Science and Engineering (CaSE). Er beschäftigt sich mit der Bedeutung wissenschaftlicher Evidenz für die Politik und Fragen der engeren Verzahnung von Wissenschaft und politischen Akteuren. Diese Kompetenzen will er am STEaPP in den Aufbau neuer Programme an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik einbringen.

Elisabeth Ehrensperger hat im November 2017 die Leitung der Geschäftsstelle von TA-SWISS übernommen. Die promovierte Historikerin und Politologin forschte mehrere Jahre zur Funktion Nationaler Ethikkommissionen in europäischen Demokratien am Ethik-Zentrum der Universität Zürich. Nach Abstechern in die Verwaltung und den Journalismus übernahm sie 2013 die Leitung der dem schweizerischen Bundesamt für Gesundheit angegliederten Geschäftsstelle der Nationalen Ethikkommission im Bereich Humanmedizin. Elisabeth Ehrensperger ist langjähriges Mitglied des Leitungsausschusses von TA-SWISS.

Cédric Villani wurde im Juli 2017 zum neuen Vorsitzenden des Office parlementaire d’évaluation des choix scientifiques et technologiques (OPECST) gewählt. Seit 1983 unterstützt OPECST als gemeinsame Einrichtung von Nationalversammlung und Senat die französische Legislative bei der Bewertung wissenschaftlicher und technologischer Entscheidungen. Cédric Villani ist mehrfach ausgezeichneter Mathematiker, Physiker und Politiker und war als Mitglied des OPECST und der High Level Group of Scientific Advisors der Europäischen Kommission in der Politikberatung aktiv. Er will den Adressatenkreis von OPECST um weitere Organe des Parlaments sowie um die Zivilgesellschaft erweitern.